Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
24/25(111/112).1988/89
Seite: 61
(PDF, 60 MB)
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Die niederadelige Herrschaft Glatt

thün unnd lassen, das Ain getruwer hinderseß und Arm man siner Oberkait und Rechtem
herren von gewonhait und rechts wegen Zu thün schuldig und verbunden ist, getruwlich und
ungefarlich. Also helff mir got, und all haiigen - amen.

Auf mehr als einer Papierseite legte Hans dar, wie sich ein getreuer Hintersasse zu
verhalten hatte. Darin nannte er seine Rechte, beschrieb er die Pflichten der bäuerlichen
Untertanen und erwähnte seine Aufgaben den Hörigen gegenüber. Als deren Herr versprach
er auch, diese zu erfüllen. Doch von insgesamt 34 Zeilen verwandte Hans gerade fünf, um
seine Schutz- und Schirmverpflichtung zu bestätigen.

Als »rechter Erbherr« stellte sich der Herr von Neuneck seinen Untertanen dar. Es ist
möglich, daß dies deswegen geschah, da er 1496 und 1500 Anteile an Dorf und Schloß Glatt
von der Verwandtschaft erworben hatte. Aus Gründen, die nicht näher bekannt sind, nahm er
eine Bestandsaufnahme seines Besitzes und Einkommens vor. Als Herr verpflichtete Hans
d. Ä. bei dieser Gelegenheit alle ihm verbundenen Hintersassen. Deutlich wird, daß der Junker
die Leute an sich band - und er nicht sich an die Untertanen. Die Verpflichtung zum Beistand
war für den Herrn zweitrangig geworden.

Die Rechtslage von damals kann beispielgebend für die ritterschaftlichen Gebiete so
dargestellt werden:

1. Hans von Neuneck gebot allein und unumschränkt, er bestimmte die Regeln des dörflichen
Zusammenlebens, er gab seine Zustimmung oder Ablehnung in Fragen der dörflichen
Wirtschaft, er begrenzte die persönliche Entscheidungsfreiheit seiner Bauern.

2. Hans von Neuneck band die Untertanen an sein Gesetz, wäre es auch für diese von
Nachteil. Ob er selbst oder seine Amtsleute202 die Verfügungen träfen: ihre Anordnungen
waren als die seinen anzusehen.

3. Die Herrschaft sah sich nicht ungefährdet: immer gab es Menschen, die Kritik übten. Diese
war das »Unlob« und der »Unrat«. Manch einer mochte murren, einige werden die
persönlichen Nachteile herrschaftlicher Entscheidungen mit bösen Gedanken hingenommen
haben. Und so gebot Hans von Neuneck - im übrigen mit einer Formel, die in allen
Lehensurkunden (Siehe Beispiel S.85) vorkommt: ...schaden warnen und wenden nach
uwem vermögen, Und ob iryendert (= jemals) erfüren, sacken davon Mir, mynen Armenlu-
ten verwandten und zugehörden..., Mir sollichs oder mynen Verwaltern... fürderlich
anzubringen. Das heißt, nicht nur als oberste Polizei, die für den Schutz des Dorfes bürgen
sollte, erklärte sich Hans für zuständig und bereit, auch jeder Untertan mußte sich dazu
verpflichten, system- und herrschaftsbedrohende Aufrührer im Dorf anzuzeigen und dem
Gericht zu überliefern. Schutz des Gemeinwesens und des Junkers als Person und seiner
Ehre waren nicht voneinander zu trennen.

4. Die Rechtsauslegung und Anwendung des Rechts lag letztlich bei der Herrschaft. Gegen
den Herrn konnte und durfte nicht entschieden werden. Gelegenheit zu Streit im Dorf gab
es genügend: Klatsch und üble Nachrede, Auseinandersetzungen um die Flurordnung,
Streit um die bäuerliche Ausleihe von Pferd und Wagen an Seidner (= Kleinbauern ohne
Zugtiere und Erntewagen), ließen immer wieder Zank und Unzufriedenheit aufkommen.
Und deswegen erklärte Hans von Neuneck als Gerichtsherr: ... War Ir auch mit yemands

202 Möglicherweise handelt es sich um einen Burg- und einen Dorfvogt. Beide Männer konnten der
Gemeinde entstammen. So wurde in Dürrenmettstetten Jakob Koler, ein Leibeigener des Hans von
Neuneck, als »Vogt« und nicht als »Schultheiß« bezeichnet. Der Burgvogt war sicherlich mit der
Verwaltung des Schlosses und der Sicherung der herrschaftlichen Vorräte beauftragt. Der Dorfvogt hätte
dann die Aufgabe gehabt, mit dem Schultheißen die Probleme des jahreszeitlichen Arbeitsablaufs zu
klären. Die Frage nach den Namen dieser Amtsträger stellt sich im Zusammenhang mit dem Bauernkrieg
und den Vorgängen in Glatt. Reinhart äußerte sich später darüber in einem Gedächtnisprotokoll (StAS
Ho 163 Akten Nr.72). An erster Stelle unter den Verrätern nannte er »Ambrosius Schneider, den Vogt«.
Kurz vor seiner Abreise nach Lauingen hatte Reinhart den Claus Schwend zum »Vogt und Verwalter« ins
Schloß berufen. - Siehe dazu auch S. 63 in der vorliegenden Arbeit.

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