Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
24/25(111/112).1988/89
Seite: 63
(PDF, 60 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1988-89/0065
Die niederadelige Herrschaft Glatt

Zinsbüchern den Status der Hörigen verdeutlicht. Darüber hinaus will es den Eindruck einer
»Verfassung« geben.

Aus den im Bauernkrieg erlebten Vorgängen, aus den empfundenen Demütigungen
schaffte sich Reinhart einen absoluten Herrschaftsanspruch. Es ging ihm darum, zu betonen,
daß er ein für alle Mal neue Aufstände verhindern wollte. Am 28. April 1525 hatten Reinharts
Untertanen zugelassen, daß das Schloß in die Hände von Thoman Mayer vom Vogelsberg
fiel205. Die Besatzung, die Hans Oswald ins Schloß gelegt hatte, übergab das Gebäude aus
freien Stücken. An der Spitze stand Ambrosius Schneider, der Vogt.

Dem Vogt oder den Vögten kam in der Herrschaft Glatt eine große Aufgabe zu, nämlich
besonders in Abwesenheit der Herrschaft, die Verwaltungsaufgaben wahrzunehmen. Eventuell
hatte Reinhart einige Zeit vor den turbulenten Ereignissen des Jahres 1525 einen weiteren
Vogt. Es sind die etwas entlegenen Quellen, die hier weiterhelfen. In dem alten Reperto-
rium206, Lochers häufiger Bezugsnachweis, heißt es bei Eintrag Nr. 202: Item, Herr Reinhardt
von Neuneckh hat Claus Schwenden zu Glatt in der Peuwrischen ufrur zum Vogt und
Verwalter verordnet, welcher Aber seiner Pflicht vergessen, bei nacht us dem Schloß inns
Würthshaus gegangen und Andern mehr mutwillen getrieben, deswegen er in Hafftung
eingelegen. Des rechtenns erbetten und ein urphed von im Angenommen worden. Zu dem
Achten tag Novemb. anno Dreyßig drey, Nummer 202.

Aus diesem Eintrag ist zu entnehmen, daß Claus Schwend als Burgvogt und Verwalter
eingesetzt worden war. Bei Ambrosius Schneider hätte es sich wohl um den Dorfvogt
gehandelt. Otto Hellstern übermittelte eine Notiz gleichen Inhalts aus dem Pfarrarchiv207. Ist
das Verhalten von Claus Schwend zu erklären? Vielleicht sah er die Hoffnungslosigkeit der
Lage. Gegen das Dorf und den Dorfvogt Schneider vermochte er sich nicht zu stellen. Also
verzog er sich in der Qual zwischen der Pflicht und der Sorge um Heil und Leben ins
Wirtshaus208. Sicher hatte er Reinhart einen Eid geschworen. Ottmar will diese Überlegung
nicht gelten lassen, besonders deswegen, weil er eine Haftstrafe von acht Jahren für unverständlich
hält. Konnte es aber auch nicht so sein, daß Reinhart einen pflichtvergeßlichen, und
wie er glaubte meineidigen Verwalter exemplarisch strafen wollte?

Uber die Einrichtung einer möglichen Burg- bzw. Schloßvogtei unterrichtet eine Streitsache
aus dem Jahr 1536, als Konrad Sygler von Enzweihingen Aufruhr und Frevel im Schloß
verursachte und burgfriedlichen Friedbruch gegen Konrad Angler, »Vogt zu Glatt«,
beging209. Daraus ergäbe sich die Möglichkeit, daß Konrad Angler Claus Schwend als
Schloßvogt abgelöst hat.

In dem neu geschaffenen Urbar tritt die stereotype Formel gehört/bestimmt/aus Befehl des
edlen und gestrengen/des bemelten Herrn Reinharten, Ritters immer wieder hervor. Und zwar
nicht nur in der Vorrede des Werks - der Publicatio -, diese Formeln stehen am Anfang eines
jeden Rechtskapitels. Dagegen fehlen die wenigen Sätze, die Reinharts Vater noch dem Schutz
der Bauern gewidmet hatte.

Das Urbar bezeugt, daß alle Besitz-, Eigentums und Rechtszustände auf dem Herkommen
beruhten. Deswegen waren auch die angesehensten und ältesten Männer zur Zeugenschaft
berufen worden. Dazu gehörten in Glatt auch solche, die am Bauernaufstand mitgewirkt
hatten, eine Zeit lang im Gefängnis des Ritters gelegen waren und anschließend Urfehde
geschworen hatten. Damit waren sie wieder als Untertanen von der Herrschaft anerkannt. Es
handelte sich dabei um Simon Schwend, den Müller, um Conrad Ritter (als Zeuge in der

205 Ottmar (wie Anm. 176) S.35.

206 FAS-Glatt 5,2.

207 Ottmar (wie Anm. 205) Anm. 75.

208 Reinharts Urbar vermerkt keine Täferstube. Vielleicht ist diese Quelle ein Beleg für die These von
Johann Adam Kraus (wie Anm. 147). Es wäre beim Zorn Reinharts über seine Bauern auch denkbar, daß
eine bestehende Täferstube von ihm geschlossen worden wäre.

209 St AS Ho 163 Urk. Nr. 80.

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