Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
24/25(111/112).1988/89
Seite: 71
(PDF, 60 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1988-89/0073
Die niederadelige Herrschaft Glatt

- Wer gelobten Frieden, gebotenen Frieden durch Worte bricht, verfällt dem Bann, 10fl
Strafe™.

Das »Belieben der Oberkait« zielte nicht immer auf die schärfste peinliche Bestrafung. Das
Einsitzen im Gefängnis, damit die Verwahrung des Friedensbrechers, war die erste herrschaftliche
Maßnahme. Häufig erfolgte dann die Freilassung aus dem Gefängnis, wenn »gute
Freunde« darum baten oder Bürgen für Geldstrafen oder künftiges Wohlverhalten gefunden
wurden. Der Rechtsbrecher leistete nach seiner Entlassung einen Eid: Er schwor Urfehde.
Dieser Schwur war ein Zeichen dafür, daß der Rechtsbrecher wieder in die Gemeinschaft von
Herr und Hörigen aufgenommen war. Wer Urfehde schwor, huldigte erneut seinem Herrn
und unterwarf sich dessen Gerichtsbarkeit und Oberhoheit: ...soll mich dann nicht schirmen
noch befrieden keine päpstliche, kaiserliche noch königliche Freiheit, Gnade, Recht noch
Gericht, geistlich noch weltlich Gebot noch Verbot...252, so wie es die Untertanen bereits beim
Regierungsantritt ihres Herrn oder beim sich Begeben in die Leibeigenschaft geschworen
hatten. Brach der Begnadigte seinen Schwur, so mußten die Bürgen, sofern sie vereidigt waren,
in der Regel innerhalb von 100 Tagen ihre Verpflichtung erfüllen, oder es wurde die
ursprünglich verhängte Strafe ausgeführt. Um die Kontrolle über den Freigelassenen zu
behalten, verlangte das Gericht, daß dieser sich nicht vom zugewiesenen Ort entfernte.
Fremden gegenüber sprach das peinliche Gericht oft ein Betretungsverbot der Herrschaft aus.

Das häufigste Bekenntnis in der Urfehde lautete: ...um wohlverschuldeter Sachen halber
ins Gefängnis gekommen zu sein. Nur in besonderen Fällen wurde dieses Bekenntnis
erweitert, was auf gewichtigere Umstände des Einzelfalles oder der Zeitereignisse hinweist. So
hieß es bei Konrad Sygler von Enzveihingen ... hat durch vielfältiges Überfüllen, Völlerei und
Trunkenheit am vergangenen Montag (10. Juli 1536) Aufruhr im Schloß verursacht... Neben
Handgreiflichkeiten standen auch politische Übertretungen zur Anklage. Hier sei nochmals
an Conrat Ritter erinnert, der während des Bauernaufstandes für das Volk seine Stimme
erhoben hatte253.

Dem Bekenntnis folgte das Versprechen, bey berürten meinem Ayde soll und will ich all
bös gesellschaften meiden, auch uffririg unnd argkwenig hanndel... mein Leben lang... in
Gebott und Verbott vorgmeeltem meinem Herrn und jungker und ordenlichern Obrigkait
gehorsam, gereuig, getreu und hold sein254. Oftmals mußten die Freigelassenen zusätzlich
beschwören, künftig keine Waffen mehr zu tragen. Sie wurden gelegentlich dazu verurteilt, in
der Wirtschaft alleine zu sitzen, wohl um zu verhindern, daß sie in hitzige Auseinandersetzungen
gerieten. Auch kann man diese Maßnahme als einen Ausschluß aus der dörflichen
Männergesellschaft deuten.

Wenn solche Ritterschaften wie das Gebiet von Glatt zum Beispiel recht überschaubar
waren, so stellten sich für die Gerichtspflege mehrere Probleme: war das Rechtsempfinden
zwischen Herrschaft und Untertanen das gleiche? War der Herr bereit, einen Amtmann Recht
sprechen zu lassen, oder hielt sich der Träger der Herrschaft für den alleinigen Richter? Ein
ganz wichtiger Faktor im Bezug auf die Rechtsdurchsetzung war die Größe des Raums, die
verkehrsmäßige Erschlossenheit bzw. die Abgeschiedenheit der Landschaft, welche den
Erfolg oder Mißerfolg von Fahndung bzw. Flucht der Strafwürdigen vorbestimmten.

Die Grenzen der Herrschaft Glatt waren vom Hauptort aus schnell erreicht. Die Übeltäter
, welche ja zu Fuß unterwegs waren, gelangten innerhalb von }A Stunden in südlicher
Richtung in den württembergischen Amtsbereich von Sulz. In knapp einer Stunde erreichten
sie neckarabwärts vorderösterreichisches Territorium (heute Grünmettstetten, bzw. Ihlingen).
Die Herrschaft Wehrstein (1528: Inhaber Graf Christoph von Tengen; 1552: Inhaber Graf Jos

251 Ebenso in Dettingen - Wie Anm.58 pag. 225r.

252 Aus der Urfehde von Simon Schwend vom 17. Sept. 1525 (am St. Lamberttag), FAS-Glatt 166,25.

253 Für Konrad Sygler: StAS Ho 163 Urk. Nr. 80; für Conrad Ritter: FAS-Glatt 166,26 - Urfehde
geschworen am 18. Okt. 1525. - Ausführlicher zit. Anm. Nr. 175.

254 Bei Simon Schwend, FAS-Glatt 166,25 - Urfehde geschworen am 17. Sept. 1525.

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