Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
24/25(111/112).1988/89
Seite: 95
(PDF, 60 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1988-89/0097
Die niederadelige Herrschaft Glatt

Das Urbar hält fest, daß Heiraten nicht nur angezeigt, sondern auch zuvor genehmigt
werden mußten. Fand nun eine Heirat statt, so mußte eine Heiratssteuer bezahlt werden.
Entweder in der Form eines Barchenttuchs oder in Höhe von zwei Gulden und einem Pfund
Pfeffer. Diesem herrschaftlichen Verlangen entsprechend, gab Georg Hegner, ein Leibeigener
aus Empfingen, seinen Leibherren Reinhart, Hans Oswald und Hans Heinrich am 19. September
1549 ein ganz Barchettuch und ein Pfund Pfeffer117. Wurden Heiraten ohne obrigkeitliche
Genehmigung geschlossen, durfte Reinhart von Neuneck, eine Strafe aussprechen. Bestraft
wurde der Mann, indem er ein Drittel seines Gutes verlieren konnte.

Die Forderung nach der Heiratssteuer muß als höchst zweifelhaft bezeichnet werden. Die
große Mehrheit der Dorfbevölkerung konnte diese Steuer nur unter größten Schwierigkeiten
aufbringen, und der Betrag mußte in langen Jahren angespart werden. Heiratsfähig war man
also nicht nur dem Alter, sondern auch dem Vermögen nach. Solange die ehefähigen Leute die
Gebühren nicht aufbrachten, mußten sie in ihrem angestammten Familienverband bleiben
oder auf großen Höfen Dienst tun. In Glatt befanden sich lediglich zwei Familienvorstände in
der Lage, die Heiratssteuer ohne größere Schwierigkeiten für ihre Kinder zu hinterlegen.

Dies waren Hans Othmann, genannt Köpli, und Linhart Cämmerer. Othmann nutzt 48
Jauchen und bezahlte 2 lb 4ß 10 h Hofstatt- und Grundzinsen pro Jahr. Linhart Cämmerer
entrichtete aus zwei Lehensgütern mit zusammen 73 Jauchen 2 lb 12 ß 9 h etwa die gleichen
Zinsen pro Jahr wie Hans Othmann. Um 1534 entsprachen zwei Gulden etwa dem Wert von
zwei Pfund Hellern. Wenn also leibeigene Frauen die Herrschaft Glatt verließen, um auswärts
zu heiraten, könnte der Grund in einer niedrigeren Heiratssteuer am fremden Ort gelegen
haben. Denkbar war ebenso, daß der künftige Ehemann als vermögend galt, um die Taxe zu
bezahlen. Frauen zogen vielleicht weg, um der Nachrede zu entgehen.
In der Herrschaft Glatt verblieben aus der ersten Generation der Frauen Berblin Pfyffer und
ihre Kinder. Für die Frauen aus Dürrenmettstetten gibt es in unseren Beispielen keine
Einheitlichkeit. Endlin Wächter und Betta N. blieben in dem neuneckischen Herrschaftsteil
ihres Dorfes bzw. verheirateten sich nach Glatt. Wo Grett Helber blieb wissen wir nicht. Ihre
Kinder zogen jedenfalls weg vom näheren Umkreis. Dettlingen gehörte zur Herrschaft
Ehingen-Dießen, Salzstetten gehörte zu einem hohenbergischen, Lombach zu einem alpirsba-
chischen Amt.

Mehrfache Verheiratungen waren nicht selten. Die Gesellschaft des Dorfes achtete darauf,
daß Familienverbände erneuert wurden. Eine Witwe, besonders mit Kindern, bedurfte des
Schutzes, in rechtlichen Dingen konnte sie nicht eigenständig handeln. War sie alt, wurde ihr
ein rechtlicher, »gesetzlicher« Beistand von der Dorfgemeinschaft gegeben. Ein Witwer
bedurfte einer weiblichen Arbeitskraft für Haus und Hof und ein bloßes Konkubinat konnte
im Dorf nicht ertragen werden. Die Gründe für eine Verheiratung ins »Ausland« können
teilweise in den unterschiedlichen Heiratsbestimmungen der jeweiligen Leibherren gesehen
werden. Vorteile für Heiratswillige schien vor allem Württemberg in einigen Ämtern zu
bieten. Beginnend mit der Heiratsbewilligung und -besteuerung, die Reinhart ausbedungen
hatte, kann man feststellen, daß diese beiden Forderungen im Amt Dornstetten entfielen oder
milder waren328.

327 Locher (wie Anm. 16) S. 224, ebd. Anm. 5.

328 Dem Amt Dornstetten unterstanden die Dörfer Grüntal, Untermusbach, Aach, Benzingen, Hallwangen
, Dietersweiler, Wittlensweiler, Glatten, Niederhofen Hörschweiler, Pfalzgrafenweiler, Besenfeld,
Baiersbronn, der Kneibis und die Stadt selbst. Die altwürttembergischen Lagerbücher (wie Anm. 305)
enthalten darüber wenige Vermerke. Sie stammen aus der Zeit der österreichischen Verwaltung und fußen
auf älteren Ubereinkünften. Dornstetten wurde 1521 »erneuert«, ebd. S. 399 - 4. Nur für das Amt Calw-
Zavelstein (ebd. S. 63/64) erfahren wir: »1 Scheibe Salz bei ongenossenschaft, wenn beide personen
leibeigen sind, wird nichts genommen, wenn sie bleiben wollen.« »bei ungenossamen (wohl von
außerhalb) Vi fl, 10 ß h, 1 ort, 5 ß h minder oder mer nach Vermögen und Gestalt der Sachen unter Herzog
Eberhart«.

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