Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
24/25(111/112).1988/89
Seite: 96
(PDF, 60 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1988-89/0098
Wolfgang Hermann

Bezüglich der Geburten wurde von Reinhart verlangt, daß sie angezeigt würden. Schwangerschaften
blieben im Dorfe nicht verborgen. Diese sollten aber auch nicht vor der Herrschft,
die oft abwesend war, verheimlicht werden. Man mußte den Vogt davon offiziell in Kenntnis
setzen, wenn ein Kind geboren war. Für die Herrschaft war es wichtig, über Nachweise zu
verfügen, um daraus Ansprüche auf die Leistungen aus der Leibeigenschaft der künftigen
Untertanen ableiten zu können.

Über das Hauptrecht, das die Brüder in der Herrschaft Glatt beanspruchen, gibt das Urbar
gleichfalls Auskunft. Es fiel Reinhart und Hans Oswald ungeteilt zu. Darin wird für Männer
der Todfall so bestimmt: Das beste Stück Vieh, was immer es sei. Weil der Herrschaft bekannt
war, wie wenig wohlhabende Bauern in Glatt wohnten, machten sie ein Zugeständnis. Sollte
weder eine Kuh, noch ein Pferd vorhanden sein, würde die Herrschaft über eine Ersatzabgabe
mit den Hinterbliebenen verhandeln. Beim Tod der Frau wurde gefordert: Es muß das beste
Kleid sein. Und das war jenes, das an Feiertagen zur Kirche oder auf der Straße während der
Kirchweih getragen wurde. Für die zuletzt genannte Gelegenheit ist an den Tag des Jahrmarkts
zu erinnern, an dem sich die Frauen von der besten Seite zeigen wollten. Besaß die
Herrschaft nun den Nachweis über das Anrecht auf den Todfall, so konnte man auch bei
auswärts angesiedelten Leibeigenen sein Recht einfordern.

Neben den ritterlichen Herrschaften haben die geistlichen Herren fast ausnahmslos
während der gesamten Zeit des Mittelalters an der Leibherrschaft und ihren Folgen festgehalten
. Diese Auffassung gründete sich auf die Uberzeugung, daß die dem Kloster zugehörige
Bevölkerung zur familia des Patrons gehörig sei. Die Untertanen des Kirchenpatrons seien
unveräußerlich und dem Abte daher anvertraut329. Man sei daher, so noch der Abt von
St. Gallen zu Beginn des 19. Jahrhunderts, nicht befugt, auf Rechte zu verzichten, die dem
Heiligen zustünden330.

Fanden Ausheiratungen entgegen dem klösterlichen Verbot statt, konnte die verlorene
Gnade des Herrn durch besondere Leistungen zurückgewonnen werden. Entweder ergab sich
der fremde Ehepartner, dann zumeist die Frau in die klosterherrliche Leibherrschaft, oder
man konnte die nachteiligen Folgen der Ungenoßsame durch Geldzahlungen oder durch die
Ubergabe anderer Werte abwenden.

Zwischen Schwarzwald und Neckar war es zuerst das Kloster Alpirsbach, das den
Untertanen mancherlei Schwierigkeiten machen konnte. Für Dornhan notierte das altwürt-
tembergische Lagerbuch von 1527: All und yede mans und frowenpersonen so zu Domheim in
der stat mit toud abgangen, sie seyen daselbs burger, frembd oder heimisch, und ouch mit
leib aigenschaft verwandt wem sie wellen, hat das gotshus Alpersbach bißher behaubtrechtet^K
Gleich diesem Kloster ging der Abt von St. Georgen im Schwarzwald vor. Es bezog im
15. Jahrhundert neun Jahre lang jährlich ein Besthaupt, solange man sich wegen der Ungenos-
same nicht mit dem Abt verglichen hatte332.

Abschließend sei festgehalten: Die Möglichkeiten zum Streiten mochten für die Herren
weitgespannt sein, wenn sie die Leibherrschaftsrechte einander absprachen. Der Sieger im
Rechtsstreit wird das »erworbene« Tier in den herrschaftlichen Stall gestellt haben. Lag kein
Bedarf vor, wurde es verkauft. Ein Pferd vielleicht dem Knecht überlassen. Kleider bekamen
die Mägde oder gelangten über die Trödelmärkte in andere Hände.

329 Müller (wie Anm. 306) S. 41.

330 Ebd. S.69.

331 Schwarz (wie Anm. 305) S. 386,

332 Müller (wie Anm. 306) S. 31.

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