Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
24/25(111/112).1988/89
Seite: 167
(PDF, 60 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1988-89/0169
Die jüdische Gemeinde Hechingen im 16. Jahrhundert

Nur in neun von den 13 zollerischen Amtern sind Bauern bei den Juden Schay und
Copelman verschuldet gewesen, nicht betroffen sind die Amter Owingen, Grosselfingen,
Killer/Starzeln/Hausen und Burladingen/Gauselfingen/Hörschwag, ohne daß für diese Ausnahmen
ein Grund erkennbar wäre. Der Befund bedeutet jedenfalls nicht, daß in diesen
Ämtern keine bäuerliche Verschuldung bestanden hätte. Unter den verschuldeten Orten
stechen Schlatt und Stein besonders hervor, wo jede vierte Familie bei den beiden Juden in der
Kreide stand. In Jungingen ist es jede sechste Familie, in Hechingen immerhin noch jeder achte
Haushalt. Recht günstig stehen Wessingen/Zimmern und Stetten/Boll da, und in Rangendingen
ist nur ein einziger Bauer, Michael Weber, den Juden verpflichtet gewesen.

Bezieht man die insgesamt 83 betroffenen Haushalte auf die 736 Familien37 in den angesprochenen
Orten, so sind dies etwa 11,2 % der Haushalte; bezogen auf die 1102 Familien der
gesamten Grafschaft (einschließlich der nicht betroffenen Orte) sind immerhin noch rund
7,2 % aller Haushalte bei den Juden verschuldet gewesen. Dabei schwankt die Höhe der
einzelnen Kredite zwischen 34 Gulden 40 Kreuzer (Hans Talmüllers Witwe in Schlatt) und
einem halben Gulden (Hans Riefler, ebenfalls Schlatt), was im einzelnen oft keine allzugroße
Schuldenlast bedeutet haben mochte. Doch die Zahl der Schuldner zeigt, daß immer mehr
Bauern auch wegen geringer Beträge gezwungen waren, Darlehen aufzunehmen, und daß viele
nur noch bei Juden einen offenen Säckel fanden. Die gesamte Schuldenlast von 693 Gulden
gewinnt an Bedeutung, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß der Graf 1541 für eine Schuld
von 600 Gulden die Hechinger Wüstenmühle als Pfand gesetzt hatte.38 Die beiden Juden
hatten also bei den zollerischen Untertanen Schulden einzufordern, die den damaligen Wert
der Wüstenmühle noch übertrafen.

Der Zinsfuß, mit dem die Untertanen nach der Umwandlung der Judenschulden belastet
waren, betrug 5%, das war nach der Auffassung der Zeit die Grenze, die einen moderaten
Zins vom Wucher trennte.39 Welche Zinsen zuvor Schay und Copelman gefordert hatten, ist
leider nicht zu ermitteln. Wie immer ihre Forderungen ausgesehen haben mochten, der Graf
war aus der Sicht einer souveränen Herrschaft gezwungen, der beschriebenen Entwicklung
einen Riegel vorzuschieben, wenn er vermeiden wollte, daß die Liegenschaften einzelner
Untertanen - gleichgültig ob Eigen- oder Lehengüter - bei deren Zahlungsunfähigkeit in den
Besitz der Juden gelangten. Ein solcher Fall war bereits 1537 in Bisingen bekannt geworden.
Dort hatte Conrad Wolf, der Sohn des Baders, seine Lehen einem Grosselfinger Juden
verschrieben gehabt.40 Insofern war das Eingreifen des Grafen Jos Niclas II. zugunsten seiner
Untertanen kein Akt reiner Nächstenliebe, er durfte sich seine gerade im Stadium der
Vollendung befindliche Landesherrschaft nicht durch die Auswirkungen wucherischer Darlehen
untergraben lassen.

Die Aufzeichnung ehemaliger Judenschulden im Hagenschen Lagerbuch verweist zum

37 Die Gesamtzahl der Familien in der Grafschaft kann mit Kraus (wie Anm. 16) leider erst für 1548
durchgängig nachgewiesen werden, weshalb die errechneten Prozentwerte allenfalls als Näherungswerte
betrachtet werden dürfen.

38 StA Hechingen Urk. Nr. 37.

39 Nach dem Reichstagsabschied von 1548 und der Reichspolizeiordnung von 1577. Im Mittelalter
waren den Juden bis zu 43 Vi % Zinsen erlaubt; vgl. Renate Overdick: Die rechtliche und wirtschaftliche
Stellung der Juden in Südwestdeutschland im 15. und 16. Jahrhunden, dargestellt an den Reichsstädten
Konstanz und Eßlingen und an der Markgrafschaft Baden (Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen
15). Konstanz 1965. S.37, 41, 70f. und 99f.

40 StAS Ho 1 Nr. 944 fol. 139. Eine entsprechende Urfehde ist von Conrad Beutter aus Bietenhausen von
1554 erhalten (StAS Hol Nr. 1435 B1.40).

167


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1988-89/0169