Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
24/25(111/112).1988/89
Seite: 172
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1988-89/0174
Casimir Bumiller

erste bekannte Rabbi der jüdischen Gemeinde Hechingen ausgerechnet in Rangendingen, also
weit entfernt vom Zentrum seiner Gemeinde wohnte. Aufgrund seiner Gemeindepflichten
dürfte er dadurch relativ viel in Bewegung gewesen sein.

Ob auch jener namentlich nicht bekannte Rabbi von 1573/74 noch in Rangendingen lebte,
ist nicht ganz klar.56 Von diesem ]uden Schuelmeister wissen wir jedenfalls, daß er von Georgi
1573 bis Martini 1573 20 Schüler unterrichtete, von Martini 1573 bis Georgi 1574 dann nur
noch 14 Schüler. Ob sich in diesen Zahlen ein zufälliger Jahrgangswechsel oder aber ein
genereller Rückgang der jüdischen Bevölkerung ausdrückt, muß offen bleiben. Es ist auch
nicht überliefert, was der Rabbi seinen Schülern beigebracht hat, aber es ist bekannt, daß die
Juden neben der Unterweisung im Talmud auch besonderen Wert auf eine gewisse Allgemeinbildung
legten. Das Schulwesen der jüdischen Gemeinde Hechingen dürfte im 16. Jahrhundert
jedenfalls bereits besser organisiert gewesen sein als das der christlichen Gemeinde, von den
Landgemeinden, die damals noch gar keine Regelschule kannten, ganz zu schweigen.57 Man
kann bei den Juden jedenfalls einen hohen Grad an Alphabetisierung voraussetzen, was sich
etwa auch an den Büchern im Haushalt der Henlin ablesen ließ.

In diesem Zusammenhang ist es auch von Interesse, daß verschiedene Hechinger Juden als
Rechtsvertreter für Glaubensbrüder in anderen Gemeinden auftraten. Mußte 1533 ein
Hechinger Jude noch eine auswärtige Jüdin mit der Vertretung seiner Rechtssache in Rottweil
beauftragen, so besaß die jüdische Gemeinde Hechingen ein Jahrzehnt später selbst genügend
juristisch geschulte Männer. So sind etwa die Juden Mosse und David von Hechingen 1549
Anwälte für Eßlinger Juden58, David allein vertritt 1559 einen Schay Jud aus Bühl59 und
Lemlin Jud 1549 einen gewissen Capulman aus Worms vor dem Hofgericht in Rottweil.60

Zu den nicht kaufmännischen Berufen, die Juden im allgemeinen offenstanden, zählte der
des Arztes, und es ist bekannt, daß die jüdische Medizin auch in der christlichen Bevölkerung
geschätzt wurde.61 Für Hechingen ist uns spät erst ein Arzt Salomon belegt, der 1576 die Stadt
verläßt und nach Eßlingen übersiedelt.62 Ob auch jener Arzt, den Mosse Jud von Rangendingen
1548 seinen Schwager nennt, in der Grafschaft Zollern lebte oder anderswo, ist unklar.

Zuletzt sei noch erwähnt, daß den Juden in geringem Maß auch das Handwerk offenstand,
und zwar bevorzugt solche Berufe, die in der betreffenden Herrschaft nicht oder kaum
vertreten waren. So ist es auffällig, daß in Hohenzollern um die Mitte des 16. Jahrhunderts
gleich zwei Juden die Kunst des Glasers ausübten, Salman der alte in Hechingen und Feiffel in

56 StAS FAS DH 128, 41.

57 Zum jüdischen Schulwesen in Hechingen Otto Werner: Zur Geschichte der israelitischen Volksschule
in Hechingen. In: Hohenzollerische Heimat 30 (1980) S. 21-25 und 44-46.

58 Braunn (wie Anm. 4) Nr. 552.

59 Braunn (wie Anm. 4) Nr. 632.

60 Braunn (wie Anm. 4) Nr. 546.

61 Selbst Graf Eberhard von Württemberg, der wenige Jahre später die Juden aus seinem Territorium
vertreiben sollte, bittet 1494 die Stadt Ulm, den Arzt Jakob von Haigerloch in die Stadt zu lassen, um für
die Behandlung seines Sohnes Jörg von Werdenau einen Arzneistein zu kaufen. Siehe Hermann Dicker:
Die Geschichte der Juden in Ulm. Rottweil 1937. S. 55. Und Herzog Ulrich von Württemberg stellt noch
1537 dem Arzt Salomon von Beihingen einen Geleitbrief zur Ausübung seiner Heilkunde aus, vgl.
Braunn (wie Anm. 4) Nr. 432. Siehe zur Wertschätzung jüdischer Ärzte in der Schweiz Steinberg (wie
Anm. 45) S.86ff.

62 Overdick (wie Anm. 39) S. 91. Derselbe Arzt Salomon von Hechingen hatte 1565 auch in Reutlingen,
das sonst keine Juden duldete, das Recht, seine Heilkunst auszuüben. Siehe Theoder Schön: Geschichte
der Juden in Reutlingen. In: Reutlinger Geschichtsblätter 5 (1894) S.61. Dieser Beleg ist unter Vermittlung
von Thomas Miller: Zur Geschichte und rechtlichen Stellung der Juden in Stadt und Universität
Tübingen. In: Jahresbände der Wiss. Akademien des NSD-Dozentenbundes 1 (1937-39 [1940]) S.247
irrig zum Jahr 1465 in die Germania Judaica (wie Anm. 7) aufgenommen worden. Zum Arzt Salomon ist
demnächst eine biografische Studie von Heinrich Kohring, Tübingen, zu erwarten, dem ich für die
Durchsicht meines Manuskripts und für zahlreiche Hinweise herzlich danke.

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