Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
24/25(111/112).1988/89
Seite: 175
(PDF, 60 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1988-89/0177
Die jüdische Gemeinde Hechingen im 16. Jahrhunden

und weist den neuen Hauptmann, also Graf Jos Niclas II. von Zollern, an, den Juden in der
verbleibenden Zeit seines Aufenthaltes wohl zu schirmen. Hierzu scheint der Graf, der mit
seinen Geschäften in der Grafschaft Zollern völlig gebunden war, nicht in der Lage gewesen
zu sein, zumal nun sogar seine hohenbergischen Beamten offen die Schutzpflicht unterliefen.
Mayr Jud signalisiert jedenfalls im Frühjahr 1542, daß er nach Ablauf seiner Aufenthaltsbewilligung
an Martini (11. Nov.) desselben Jahres abzuziehen bereit ist. Dieser Resignation war ein
betrüblicher Vorfall vorausgegangen: Während Mayr Jud mit einem königlichen Befehl nach
Innsbruck unterwegs war - was ja immerhin eine erstaunliche Stellung voraussetzt -, habe der
hohenbergische Landschreiber seinen jüngsten Sohn in den Diebsturm gelegt und gesagt, er
wolt die weiber auch dermaßen befenncknußen, auch Ire Kinder mit Hunden zum Tor aus
hetzen.

Die so bedrohte jüdische Familie, die aus dem Familienoberhaupt Mayr, seinen beiden
Söhnen, den drei Frauen und mehreren Kindern, also wenigstens aus acht bis zehn Personen
bestand, kehrte ihrem Wohnort Kiebingen nach mehr als 15 Jahren Aufenthalt im Herbst 1542
den Rücken. Es spricht alles dafür, daß sie von dort nach Hechingen übersiedelt ist, denn hier
finden wir 1544 ff. wiederholt einen Mayr Jud mit seinen beiden Söhnen David und Baruch,
die weiterhin im Hohenbergischen zu tun haben und denen dort noch Jahre später Beschwerung
vnd nachtail zuegefuegt wird.71 Es scheint aber so, als habe die Familie auch in
Hechingen nur wenige Jahre verbracht, denn 1551 erhält ein Jude David aus Hechingen mit
seinen Eltern Aufenthaltsrecht in Mundelsheim in der Markgrafschaft Baden.72

Auch in Hechingen kommt es zu Belästigungen und Diskriminierung von Juden. 1543
wird der Jude Salomon im Stall des Wirtes Stefan Kirner von einem Auswärtigen mißhandelt
.73 Ein Bauer aus Melchingen bedroht 1549 einen Juden Bastin aus Stetten (welches?).74
1560 erschlägt ein Hechinger Hilfspriester einen namentlich nicht genannten Juden, weil der
ihm auf ein Darlehen von 2Gulden einen zu hohen Zins verlangt hatte.75 Wenn 1568 der in
Hausen i. K. wohnhafte Jude Moses bestraft wird, weil er den Burladinger Vogt aus Haß und
Neid beschimpft habe76, dann zeugt dies bereits von typischen Konflikten, und wenn dem
Lautenschlager Anselm Jud 1556 ein feuriger Brand in Nachbars Haus angelastet wird,
befinden wir uns in der Nähe bekannter Verhaltensmuster, wie sie in allen Spannungsphasen
Juden gegenüber begegnen.77

Selbst Graf Jos Niclas, dessen judenfreundliche Politik Glaubensfreiheit gewährte,
bestrafte 1548 13 Juden wegen ihres vnfuogklichen weßens, das in der Karwoche die christlichen
Nachbarn gestört hatte. Und auch jener erstaunliche Versuch einer Annäherung, die Ehe
zwischen dem Hechinger Bürger Karl Schweickart und der Jüdin Henlin endete nicht zuletzt
wegen religiöser Mißverständnisse in Streit und gerichtlicher Auseinandersetzung.

71 HStASt B 19 Liber 3 foL 62r.

72 Nach J. A. Zehnter: Zur Geschichte der Juden in Baden-Durlach. In: Zeitschrift für die Geschichte
des Oberrheins 12 (1897) S. 389 wird am 9. Juni 1551 David Jud von Hechingen mit Vater und Mutter für
ein jährliches Schutzgeld von 101 Gulden (!) nach Mundelsheim angenommen. 1554 wird ihm nur noch
auf drei Jahre zu wuchern gestattet, zu seinem Tribut zählt jetzt auch die Abgabe von Damast, was auf
seine Händlertätigkeit und rückwirkend auch auf sein wirtschaftliches Gewicht in Hechingen schließen
läßt (ebenda S.393f.). Berthold Rosenthal: Heimatgeschichte der badischen Juden. Bühl 1927 S. 70ff.
spricht wohl von derselben Judenannahme in Baden-Durlach, ohne jedoch Namen zu nennen.

73 StAS Ho 1 Nr. 944 fol. 340.

74 Kraus (wie Anm. 15) S. 69.

75 Günther Haselier: Totschlag oder Ermordung eines Hechinger Juden im Jahr 1560. In: Zeitschrift
für Hohenz. Geschichte 14 (1978) S. 55-62. In der Rentmeistereirechnung von 1561 (StAS FAS DH 128,
45) ist einzig Enßlin Jud als im letzten Jahr verstorben eingetragen; er könnte also der in Frage stehende
Ermordete sein.

76 StAS Ho 1 alte Sign. C II 2aa Nr. 12 (Pak. 263).

77 StAS Ho 1 alte Sign. CII2aa Nr. 14 (Pak. 263).

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