Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
24/25(111/112).1988/89
Seite: 177
(PDF, 60 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1988-89/0179
Die jüdische Gemeinde Hechingen im 16. Jahrhundert

1540 Schuldforderungen gegenüber Reutlinger Handwerkern hatte.82 Schließlich belegt auch
ein hohenbergisches Mandat von 1530, daß es in Hechingen um jene Zeit Juden in der
Mehrzahl gegeben haben muß.83

Die fortgesetzte judenfreundliche Politik der Grafschaft Zollern in dieser Zeit läßt sich
auch an dem Schirmbrief für die Haigerlocher Judenschaft von 1534 ablesen84 (Haigerloch
gehörte seit 1497 zur Grafschaft Zollern und bildete nach der Teilung von 1576 wieder eine
eigene Herrschaft). Da Christoph Friedrich nie volljährig wurde, dürfte der hinter dieser
Politik stehende Wille dem für ihn handelnden Onkel Graf Joachim von Zollern (reg.
1535-1538) zuzuschreiben sein.85 Graf Joachim war gleichzeitig traditionsgemäß Hauptmann
in der österreichischen Herrschaft Hohenberg. Als solcher wurde er von der Regierung in
Innsbruck, die 1533 den schon erwähnten Rechtsstreit mit dem Hechinger Juden Copelman
führte, gebeten, vermittelnd in die Sache einzugreifen, dieweil der Capellman Jud vnnder
seinem Vettersb Zu Hechingen ... seßhafft ist, dz Er als aus Ime selbst mit Ime Juden hanndien
vnd versuechen solle, solch such guetlich Zu mittein vnnd Zu ertragen, damit ferrer Rechtverti-
gung am Hofgericht vnderlassen würde. Es scheint so, als ob dieser Streit tatsächlich durch die
Vermittlung Joachims gütlich beigelegt werden konnte, denn wäre der Prozeß fortgesetzt
worden, dürften sich Akten davon erhalten haben. Von Graf Joachim ist zu sagen, daß er als
einziger hohenbergischer Hauptmann aus dem Haus Zollern ständig in Rottenburg
residierte87 und so den Judenschutz in seinem Amtsbereich auch gegen seine nachgeordneten
Beamten und gegen den Unmut der Untertanen wirksam wahrnahm. Dasselbe dürfte auch für
die Grafschaft Zollern gegolten haben. Es spricht für Joachims große Autorität einerseits, aber
auch für ein seit langem schwelendes Haßgefühl in der Bevölkerung, wenn gerade nach seinem
Tod die Aggressionen gegen den Kiebinger Juden Mayr und seine Familie offen ausbrechen.

Indem Graf Jos NiclasII. von Zollern (1538-1558) diese bedrohte Familie in Hechingen
aufnimmt, setzt er die wohlwollende Judenpolitik seines Vaters fort. Ihm ist letztlich die
Etablierung einer eigentlichen jüdischen Gemeinde mit der Synagoge als Mittelpunkt zuzuschreiben
. Die Ansiedlung von 21 jüdischen Familien bis 1548 muß als eine judenfreundliche
Politik großen Maßstabs beschrieben werden. Hechingen dürfte um diese Zeit eine der
größten jüdischen Gemeinden des gesamten deutschen Südwestens beherbergt haben. Und
dies ist auch deshalb erstaunlich, weil die Politik südwestdeutscher Herren und Städte in
dieser Zeit eine geradezu gegenläufige Tendenz zeigt.

Die Judenpolitik Württembergs

Nicht nur das größte Territorium des deutschen Südwestens, Württemberg, weist um die
Wende vom Mittelalter zur Neuzeit seine Juden aus (1498), bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts
folgen ihm darin sämtliche Reichsstädte, so etwa Ulm 1499, Schwäbisch Gmünd 1501,
Reutlingen 1516, Konstanz 1533/37, um nur einige zu nennen.88 Eine in unserem Zusammenhang
aufschlußreiche Ausnahme bildet darin vorübergehend lediglich die Reichsstadt Eßlingen
, die Juden im 2. Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts nochmals in ungewöhnlicher Weise Zuzug
gewährte.89 Der Grund dafür ist deutlich zu fassen: die Reichsstadt brauchte die Juden

82 Schön (wie Anm. 62) S. 60.

83 Die Erneuerung der Ordnung von 1516 durch Erzherzog Ferdinand vom 23. Aug. 1530 nennt im
Vorspann die Juden zu Hechingen: HStASt B 19 Liber 1 fol. 116.

84 Abgedruckt bei Kuhn-Rehfus (wie Anm. 1) S. 21.

85 Manns (wie Anm. 79) S. 153-164.

86 Gemeint ist der Neffe Christoph Friedrich. Der Begriff Vetter konnte annähernd jeden männlichen
Verwandten bezeichnen. HStAStB 19 Liberi fol. 180r.

87 Stemmler (wie Anm. 9) S. 41.

88 Veitshans (wie Anm. 33) S. 8f. und passim.

89 Overdick (wie Anm. 39) S. 70ff.

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