Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
24/25(111/112).1988/89
Seite: 178
(PDF, 60 MB)
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Casimir Bumiller

dringend als Geldgeber. In diesem Motiv könnte die Parallele zur Judenansiedlung in der
Grafschaft Zollern bestehen. Die massive Intervention Herzog Ulrichs von Württemberg nach
seiner Wiedereinsetzung in sein Herzogtum zwingt die benachbarte Reichsstadt allerdings in
den 30er Jahren, ihre günstige Judenpolitik zu ändern und den Hebräern bis 1543/44
widerwillig ihre Existenzgrundlagen wieder zu entziehen. Auch diese württembergische
Politik findet gegenüber der Grafschaft Zollern seine Parallele, nur spielt sich die Einmischung
Herzog Ulrichs in die zollerische Judenpolitik auf einer anderen Ebene ab.

Wie gezeigt wurde, tätigten die Juden aus Hechingen und Rangendingen in den 40er Jahren
des 16. Jahrhunderts Darlehensgeschäfte mit württembergischen Untertanen. Als die Juden
gegen zahlungsunfähige oder -unwillige Württemberger vor dem Hofgericht in Rottweil
Prozesse anstrengten, mischte sich Herzog Ulrich persönlich ein. Die Prozeßserie, die sich
durch die 40er Jahre hinzog, hatte aus württembergischer Sicht die Funktion von Musterprozessen
, mit denen der Herzog gegebenenfalls vor der höchsten Instanz, dem Reichskammergericht
in Speyer, seine Privilegien durchsetzen wollte. In den Prozeßunterlagen tragen die
württembergischen Beamten alles zusammen, was Württemberg je vom Reich an Freiheiten
erlangt hatte. Dazu zählen ein Vidimus von Kaiser Friedrichs Freiheit wider alle auslendische
Gericht von 1463, dessen Erneuerung durch Kaiser Maximilian von 1495 und ein gedrucktes
Mandat Kaiser Karls V. von 1530.90 Es geht in diesen Dokumenten um das Privileg, daß
württembergische Untertanen nicht vor ein fremdes Gericht gezogen werden dürfen, auch
nicht vor das Hofgericht in Rottweil. Ferner berief sich Ulrich in den Judenprozessen auf den
Freiheitsbrief Karls V. für Württemberg von 1521, wonach Juden württembergischen Untertanen
nichts leihen durften.91

Trotz dieser württembergischen Privilegien nahmen die Prozesse in der Regel den Verlauf,
daß die zollerischen Juden zunächst vom Hofgericht in Rottweil günstige Urteile erwirken
konnten, so Jacob Jud von Rangendingen 1541 und Mosse Jud von Hechingen 1548.92 Auch in
der Appellation, die einmal sogar ausdrücklich auf die Inkompetenz des Hofgerichts zielte,
mußte Ulrich Niederlagen hinnehmen: im Fall des Mosse Jud weist das Hofgericht 1548 die
Einrede Württembergs zurück.93 Dagegen gelingt es Ulrich im Fall des Jacob von Rangendingen
, ein Urteil des Hofgerichts Rottweil durch einen Spruch des Reichskammergerichts in
Speyer aufheben zu lassen.94

Beim Tod Herzog Ulrichs 1550 befanden sich die anhängigen Verfahren in der Schwebe.
Als sein Sohn Herzog Christoph die politische Bühne mit der Drohung betrat, in Württemberg
künftig den Juden kein Geleit mehr zu gewähren, wurde offenkundig, daß die Judenfrage
in Württemberg nur noch auf der politischen Ebene zu lösen war. Es gehört zu den letzten
glücklichen Momenten der jüdischen Geschichte Südwestdeutschlands im 16. Jahrhundert,
daß es dem »Gewalthaber« der deutschen Judenschaft, dem elsässischen Rabbi Josel von
Rosheim gelungen ist, Herzog Christoph zu Verhandlungen zu bewegen, die in einen
Vergleich mündeten. Die am 11. August 1551 im Druck publizierten Capittel der Verglei-
chung gegen der Jüdischheit95 enthalten folgende Kernpunkte: Die Juden stellen ihre Prozesse
gegen württembergische Untertanen am Hofgericht und am Kammergericht ab. Wegen
bestehender Schulden württembergischer Untertanen soll ein Vergleich stattfinden; falls Juden
aber prozessieren wollen, dann vor einem württembergischen Gericht. Juden erhalten künftig
beim Durchzug durch Württemberg ein lebendiges Geleit, d. h. ihnen wird vom nächsterreichbaren
Amtmann eine Begleitperson zugewiesen, die darauf zu achten hatte, daß sie keinerlei
Geschäfte betrieben.

90 Diese Dokumente liegen dem Prozeß gegen Mosse Jud von Hechingen bei: HStASt C3 W5071.

91 Den Prozeßakten HStASt C3 W5069 beiliegend. Vgl. Stern (wie Anm.33) S.94.

92 Braunn (wie Anm. 4) Nr. 456 und 532.

93 Braunn (wie Anm. 4) Nr. 526.

94 Braunn (wie Anm. 4) Nr. 566. Vgl. zu diesem Fall auch Miller (wie Anm. 62) S. 256.

95 HStASt L 6. 4.6/7.

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