Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
24/25(111/112).1988/89
Seite: 206
(PDF, 60 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1988-89/0208
Josef Menath

Erst der heilige Bernhard von Clairvaux führte das Abendland von dieser einseitigen
Jesus = Gott-Tendenz weg. Nicht von ungefähr werden ihm zwei bezeichnende und entscheidende
Christusbegegnungen nachgesagt: Der junge Bernhard habe in einer Vision »Weihnachten
« erlebt - und als Mönch sei ihm widerfahren, daß sich die Jesusgestalt eines Kreuzes von
den Nägeln löste und ihn umarmte. Wo zeigte sich Jesu Menschlichkeit greller als in Geburt
und Tod.

Umreißen wir die fundamentale Leistung Bernhards summarisch: Er erst hat uns - in
Kunst und Frömmigkeit - auf die Mitte der Christuspolarität zugeführt, hat für uns Jesus als
Auch-Menschen entdeckt, ohne dessen Göttlichkeit zu mindern. Sein »O Haupt voll Blut und
Wunden« bekundet überdeutlich dieses Umdenken. In der Frömmigkeit öffnete er uns den
Weg zu der längst fälligen Ich-Du-Beziehung zu Gott und Jesus (und hat damit das Tor zur
mittelalterlichen Mystik aufgestoßen), in der Kunst aber hat erst er es möglich und wünschenswert
gemacht, Jesus als Menschen darzustellen; jetzt auch als hilfloses Kindchen in der
Krippe, jetzt auch als schmerzlich Ringenden am Olberg und hilflos Sterbenden am Kreuz. Es
ist immer neu aufregend, wie sich nun seit dem Ende des 12. Jahrhunderts vor allem die
Weihnachts- und Kreuzesbilder im Sinne des heiligen Bernhard wandeln.

Hundert Jahre nach ihm ist Franz von Assisi konsequent in Bernhards Fußstapfen
getreten. Mit der weltweiten Ausbreitung der beiden Orden (Zisterzienser und Franziskaner)
brach eine neue Ära an, in der Frömmigkeit wie in der Kunst.

Nur nebenbei sei bemerkt, daß der Ostkirche bis heute ein Bernhard fehlt. Sie ist in der
Vor-allem-Gott-Deutung Christi verharrt. Deshalb kann es in ihrem Raum auch keinen
Kreuzweg geben.

Von Jerusalem ins Abendland

Zusätzlich zu dieser geistig-geistlichen Entwicklung bedurfte es doch auch noch eines
sozusagen geographischen Transfers, um das Jerusalem-Geschehen des ersten Karfreitags
optisch in unsere Kirchen zu verlegen.

Den ersten Schritt taten die Palästinapilger, die - natürlich erst recht nach der Bernhardwende
(nicht von ungefähr trat Bernhard als Kreuzzugsprediger auf!) - in Jerusalem mitfühlend
den Leidensweg Christi abschritten, sich »Stationen«, also gewisse »Haltestellen«,
ausmalten. Die Kirche belohnte ihr Tun mit reichlichen Ablässen. Das mußte das Bedürfnis
auslösen, auch daheim diesen Weg des kreuztragenden Jesus nachvollziehen zu können: für
die heimkehrenden Pilger zur Erinnerung, für die Daheimgebliebenen als Ersatz. Also wurden
im Abendland »Kalvarienberge« eingerichtet, das heißt markante Berge ausgesucht, ihr Gipfel
mit einem Kreuz und der Hinaufweg mit »Stationen« ausgestattet, oder man schüttete sogar
eigens einen Hügel auf, um einen Kalvarienberg zu erhalten. So geschehen zum Beispiel durch
die Franziskaner mitten in der weiten Ebene des Lechfeldes.

Die Stationen waren zahlenmäßig noch nicht fixiert. Das jeweilige Geschehen kam in
kleinen Kapellen als Skulptur-Ensemble zur Darstellung oder wurde auf Reliefs erzählt. Auch
diese abendländische Version des Kreuzwegs bedachte die Amtskirche mit hohen Ablässen.

Die Franziskaner wirkten allenthalben - vor allem in der Zeit der Gegenreformation, also
im Zug der Sichtbarmachung der Glaubensinhalte - als die Pioniere dieser ersten Kreuzweg-
Bewegung, und sie waren es, die vom Heiligen Stuhl (noch vor 1726) die Erlaubnis erhielten,
auch innerhalb ihrer Kirchen Kreuzwege zu errichten. Das Ordensprivileg hielt nicht lange.
Seit dem Jahr 1731 durften Kreuzwege auch in den nicht-franziskanischen Kirchen eingerichtet
werden.

206


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1988-89/0208