Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
24/25(111/112).1988/89
Seite: 216
(PDF, 60 MB)
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Rainer Loose

Wessenberg5 kannte er zudem Mittel und Wege, kirchliche und politische Interessen miteinander
zu vereinen und in politisches Handeln umzusetzen. Es war dies nichts Ungewöhnliches
, zumal für Leute, die - wie er - noch eine umfassende Vorstellung vom Staat hatten und
für die christliches Handeln in allen Bereichen des politischen Lebens eine Grundüberzeugung
und -maxime war. Als Theologe und Seelsorger sah er das Hauptproblem der damaligen
wirren politischen Verhältnisse darin, aus rohen und verrohten Untertanen wieder nützliche
Mitglieder einer christlichen Gemeinschaft zu machen, ein Ziel, das er durch Bildung und
Erziehung nicht nur von Kindern, sondern auch von Erwachsenen für erreichbar hielt. Kirche
und Schule sind daher bei ihm eine Einheit, die zu erhalten und zu festigen zugleich eine
ständige Aufgabe aller an der Wohlfahrt des Staates und seiner Untertanen interessierten
Personen sein sollte. Da die Schule als öffentliche Bildungseinrichtung erst im Kommen war
und daher mit mancherlei Unzulänglichkeiten und Schwierigkeiten zu kämpfen hatte,
bedurfte sie nicht nur hilfreicher Ratschläge, sondern auch praktischer und finanzieller Hilfe,
die zu geben angesichts der Kriegsnot auch der Kirche nicht leicht fiel. Darum orientierten
sich Mercys Ideen und Vorschläge an den finanziellen Verhältnissen, das heißt an den leeren
Gemeindekassen, am geplünderten Heiligengut und an der individuellen Armut.

Die Armut des Volkes als eisernes Hindernis bestimmt Mercy, nur das Allernotwendigste für
die neue Schule vorzuschlagen. Zu diesen vordringlichen Dingen zählen einheitliche Schulbücher
, und zwar solche für die Kinder und solche für die Schulbibliothek. Die Bücher für die
Bibliothek bräuchten nur jeweils einmal angeschafft zu werden. Ernestis Anleitung zur sittlichen
Lebensart oder Bechers Not- und Hilfsbüchlein sollten jedenfalls für den Lehrer und den Pfarrer
vorhanden sein, damit sie daraus vorlesen könnten. Nicht ganz so einfach sei es, geeignete
Lesebücher für die Kinder zu bestimmen, da sie teuer seien und in der Regel von der
Heiligenpflege für die Kinder armer Eltern gekauft werden müßten. In Gruol etwa fielen 1808
von 120 Schulkindern zwei Drittel unter die Kategorie der hilfsbedürftigen Armen, das heißt, die
Kasse des Heiligen war gehalten, die Kosten für ein 2 Kreuzer teures Leseheft samt Einband für
80 Schüler zu übernehmen. Ebenso besorgte die Heiligenpflege für diese Kinder das Schreibpapier
und die Schreibutensilien sowie die Tinte. Für sich betrachtet machten diese Posten keine
großen Summen aus. Jedoch hatte die Heiligenkasse noch andere Aufgaben übernommen, wie
zum Beispiel den Unterhalt des Schulgebäudes zu bestreiten und einen beträchtlichen Zuschuß
zur Lehrerbesoldung zu geben. Nicht überall existierten vermögende Kirchenpflegen, die
imstande waren, die an der Schule haftenden Unkosten zu decken. Daher Mercys Vorschlag,
zunächst einen Fonds für die Armen zu schaffen, dem als Quellen die Kirchengüter dienen
könnten. Pfarrer Mercy warnt aber vor dem Ausverkauf des nicht der Säkularisation verfallenen
restlichen kirchlichen Vermögens, da es unter anderem zur Absicherung der Baulast von Kirche
und Pfarrhaus herangezogen werde. Vielleicht aber gebe es dennoch Heiligenpflegen, die ein
paar hundert Gulden unverzinslich den Schulen des Landes zur Verfügung stellen könnten.

Danach erst gelte es, geeignete Schulbücher für die einzelnen Klassen zu finden. Aus
ökonomischer Verlegenheit plädiert Mercy für die Beibehaltung des bischöflichen Katechismus
: in der ersten Klasse sei er brauchbar, den Kindern der zweiten und dritten Klasse müßten
aber die Pfarrer Erklärungen geben. Dieser Katechismus habe den Vorzug, wohlfeil zu sein.
Auch genüge er für die Verhältnisse auf dem Lande, wo irritable Bauern hinter jedem neuen
Buch eine neue kirchliche Lehre vermuteten; in den Städten hingegen, wo Künste, Wissenschaften
und Handel blühten sowie ein raisonnierendes Christentum gefordert wäre, brauche
man freilich einen anderen.

Dem hier offenkundig werdenden Bildungsgefälle von der Stadt zum Land versucht Pfarrer

5 Vgl. dazu Adolf RösCH:Das religiöse Leben in Hohenzollern unter dem Einfluß des Wessenbergi-
anismus 1800-1850. 1908, S. 32ff.; Ferdinand Albert Graf: Südwestdeutsche Schulreform im 19. Jahrhundert
. Der Einfluß J. H. von Wassenbergs auf die Gestaltung des Schulwesens (1802-1827). 1968; Max
Binder: Uber Wassenbergs Briefwechsel mit hohenzollerischen Persönlichkeiten. In: Hohenzollerische
Jahreshefte 4 (1937) S.203.

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