Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
24/25(111/112).1988/89
Seite: 219
(PDF, 60 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1988-89/0225
Wilhelm Mercy und das Schulwesen im Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen um 1810

Hohenzollern-Sigmaringen. Diese ist einem Gutachten über Lesebuchentwürfe von 1810
entnommen. Sie zeigt im zeitlichen Abstand von ca. zwei Jahren, daß die Regelung des
Schulwesens gerade erst vorgenommen wurde und die Schule zudem noch immer mit
Unzulänglichkeiten zu kämpfen hatte, insbesondere aber noch weit vom Ziel entfernt war,
einheitliche Schulbücher als verbindliche Grundlage des Unterrichts einzuführen. Mercy fiel in
diesem Entscheidungsprozeß die Rolle des Gutachters von Texten zu. Vorgelegen haben ihm
drei Manuskripte, die er innerhalb eines Monats (vom 28. 9. bis 26. 10. 1810) einer kritischen
Würdigung unterzog. Alle drei Texte stammten von Amtsbrüdern, nämlich vom Sigmaringer
Nachprediger Joseph Glatz ]\ vom Pfarrer zu Walbertsweiler, Joseph Dionys Ebei2, und vom
damaligen Pfarrer zu Diessen bei Horb, Joseph Anton Schnell™.

Um das Ergebnis der Prüfung gleich vorwegzunehmen, keiner der Autoren hat so viele
Pluspunkte gesammelt, daß Pfarrer Mercy ihm allein die ausgelobte Prämie von 50 Gulden
zukommen lassen möchte. Kein Entwurf erscheint ihm so vollkommen und tauglich, daß er ihn
uneingeschränkt der Regierung zum Druck empfehlen könnte. Die beste Zensur erhält das
Manuskript von Joseph Dionys Ebe, das er noch am ehesten für preiswürdig hält, weil der
Verfasser viele nützliche Gegenstände (behandelt), auf Religiosität und Sittlichkeit (dringt),
seine Naturlehre geht nicht so sehr in das ermüdende und unverständliche Detail, er äußert gute
Grundsätze und soviel Bonhommie, eine auf alles so bedachte Sorgfalt, daß er wohl ein
Belobungsdekret verdiente ...

Dennoch versagt er ihm die Auszeichnung, weil er zu viele unnütze Einzelheiten in seinen
Text hat einfließen lassen und dadurch die Herstellungskosten insgesamt zu hoch geworden
wären, um von schulpflichtigen Kindern gekauft werden zu können. Denn dies war ja eine
Hauptforderung der Regierung: Es sollten Manuskripte für Schulbücher gefunden werden, die
nur wenige Kreuzer kosteten und nicht wegen Unverkäuflichkeit einigen wenigen wohlhabenden
Bürgern bibliophile Freuden bereiteten oder aber nur in Schulbibliotheken ein-, zweimal
Eingang fänden, wo in der Regel niemand nach ihnen fragte.

Das Wissen um die finanziellen Verhältnisse der Eltern ist es auch, die Mercy dazu
bestimmen, den Gesichtspunkt der nützlichen Dinge und nutzbringenden Lern- und Lehrinhalte
in dem Manuskript des Nachpredigers Joseph Glatz zu betonen. Denn wenn schon Geld
für ein Lesebuch ausgegeben werde, dann sollten darin auch vernünftige Ratschläge enthalten
sein, die etwa der Verbesserung der Landwirtschaft, insbesondere der Nahrungsmittelproduktion
, dienen. Da diese fehlen und andererseits der Text Dinge enthält, die Mercy zu den
Curiosa14 zählt, also letztlich überflüssig sind, so ist demnach auch nicht für die notwendige
Kürze gesorgt. Vielmehr würden für teures Geld viele unnütze Dinge verbreitet, was in den
politisch und wirtschaftlich schwierigen Zeiten der französischen Revolutions- und europäischen
Befreiungskriege tunlichst vermieden werden müsse. Die Menschen lebten in bitterer
Armut und müßten zusehen, wie sie den Lebensunterhalt bestritten. Deshalb müßte auch die
Armenkasse zu Gruol für zwei Drittel der Kinder (das sind von 160 Schülern rund 107) die
Kosten für Schulbücher und Schreibpapier übernehmen. Bisher habe man sich mit einem

11 Josef Glatz (1776-1839) veröffentlichte verschiedene Schriften, u.a. ein Handbuch der Erziehung und
Bildung zur Religion und ein Handbuch für den Geographieunterricht. Vgl. König: Necrologium
Friburgense 1827-1877. In: Freiburger Diözesanarchiv 16 (1883) S.321. Glatz war auch Professor am
Gymnasium Hedingen, demnach ein erfahrener Pädagoge.

12 Joseph Dionys Ebe (1773-1834) war Konventuale in Salem und seit 1807 Pfarrer in Walbertsweiler.
Auch er veröffentlichte verschiedene Schriften, darunter ein Lesebuch für Stadt- und Landschulen,
Augsburg 1812, dessen Text wohl hier dem Pfarrer Mercy zur Begutachtung vorgelegen hat (vgl.
Freiburger Diözesanarchiv 16 (1883) S. 301).

13 Joseph Anton Schnell (1769-1841). Über ihn vgl. Freiburger Diözesanarchiv 16 (1883) S.326.

14 Beispielsweise bringt der Nachprediger Geschichten von sehr alten, dicken, großen, kleinen und
starken Menschen, die den Platz für andere notwendige Dinge wegnehmen, z. B. für den Religionsunterricht
.

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