Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
24/25(111/112).1988/89
Seite: 242
(PDF, 60 MB)
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Neues Schrifttum

Traditionen der Gründerzeit«, S. 161-188), die zumindest ein gewisses Verständnis für Holzfurtnererkennen
läßt und seine 1982 geäußerte Kritik »gegenüber der Unfähigkeit mancher Anwender, Befunde von
Hypothesen zu trennen« (S. 163 Anm. 4) für berechtigt hält. In den Beiträgen von Härtung (außer dem bereits
genannten noch: »Bertolde in Baiern. Alamannisch-baierische Adelsverflechtungen im 8. und 9. Jahrhundert
«, S. 115-160) und Joachim Jahn (»Bayerische >Pfalzgrafen< im 8. Jahrhundert? Studien zu den Anfängen
Herzog Tassilos (III.) und zur Praxis der fränkischen Regentschaft im agilolfingischen Bayern«, S. 80-114)
dominiert hingegen Apologetik.

Jahn wirft der Kritik an der GBM »einen unreflektierten, methodisch wenig durchdachten Begriff vom
wissenschaftlichen >Beweis<« vor (S. 90 Anm. 59) und zitiert dafür Karl Popper und Stephen Toulmin.
Zutreffender wäre die Anführung von Paul Feyerabend gewesen, dessen Schlagwort »Anything goes« die
fahrlässig unvorsichtige Anwendung der Methode gut charakterisiert. Weil die »Regeln sehr weitmaschig
sind« (Härtung, S. 74 in anderem Zusammenhang), muß sich »Stimmigkeit« bei der Konstruktion
weiträumiger Adelsnetze geradezu zwangsläufig einstellen. Weil alle freien Personen, die quellenmäßig
zueinander in Beziehung gebracht werden können, als verwandt beansprucht werden können, gibt es
keinerlei Möglichkeit zur Falsifikation des Systems.

Bezeichnenderweise wird eine Möglichkeit von Härtung nicht in Erwägung gezogen: eine Untersuchung
der Hörigennamen, aufgrund derer »Traditionsnamen« und »Allerweltsnamen« unterschieden werden
könnten. Daß es eine Gewohnheit der Namensvererbung gab, beweist noch nicht die Existenz exklusiver
»Traditionsnamen«, die ausschließlich in einem einzigen Verwandtschaftsverband geführt wurden.

Die GBM geht von fragwürdigen, zudem z.T. ideologisch belasteten Prämissen aus (vgl. S. 46 Anm. 109:
SS-Ideologe K. A. Eckhardt wird »trotz tiefer Verstrickung (!) in NS-Ideologie« zustimmend zitiert), die eine
Selbstimmunisierung der GBM im Sinne ständiger »Bestätigungen« bewirken. Hauptergebnis der GBM ist
denn auch eine ständige Bestätigung der Hauptprämisse: daß alle angeblichen »Adeligen« irgendwie
miteinander verwandt waren. Es ergibt sich so eine Konstanz des »Adels« von der Landnahmezeit
(patronymische Ortsnamen!) bis ins Hochmittelalter. So geht es dem Beitrag von Hans Schnyder (»Zum
Herkommen der Freiherren von Wolhusen in der Innerschweiz und der Herren von Waldsee in
Oberschwaben«, S. 217-260) um den Nachweis des frühmittelalterlichen Ursprungs zweier hochmittelalterlicher
Adelsgeschlechter.

Was ist denn - über den längst dargelegten strukturellen Befund der überregionalen Verflechtung
frühmittelalterlicher vornehmer Verwandtschaftsverbände hinaus - der historische Ertrag der GBM?
Michael Borgolte, dessen »selektiv geübte Abstinenz [...], genealogisch-besitzgeschichtlich naheliegende
Schlüsse zu ziehen« von Härtung gerügt wird (S. 154 Anm. 285), hat die Alaholfinger/»Bertolde« in die
antikarolingische alemannische Adelsopposition einzureihen versucht. Dies wird von Härtung mit Hinweis
auf ihre überregionale Verflechtung zurückgewiesen (S. 156 ff.). Die Konsequenz ist klar: Wenn alle mit allen
zusammenhingen, lassen sich politische Gruppierungen nicht mehr ausmachen. Versippung und Feindschaft
schließen sich aber nicht aus.

Nicht berücksichtigt wird die Kontroverse über den Charakter des frühmittelalterlichen »Adels« (vgl.
etwa Hans K. Schulze: Reichsaristokratie, Stammesadel und fränkische Freiheit. In: Historische Zeitschrift
227. 1978, S. 353-373); nicht berücksichtigt werden auch die Argumente der Skeptiker, von denen nur
Holzfurtner, Gerd Althoff und Borgolte namhaft gemacht werden. Bereits 1974 gab RudolfSchieffer anläßlich
einer Besprechung von Wilhelm Störmers »Adelsgruppen« zu bedenken, »daß nur das Fehlen von
Vergleichsmaterial aus vielen anderen Bistümern und Abteien Zusammenhänge suggeriert, die tatsächlich
mehr als fraglich sind« (Blätter für deutsche Landesgeschichte 110. S. 650). Zu der Arbeit von Hans Schnyder
über das Kloster Luzern, die Härtung wegen ihrer »Methodenbeherrschung« (S.43 Anm. 98) für
»grundlegend« erklärt, bemerkte Roger Sablonier 1983: »Mit größtem Aufwand und viel Scharfsinn werden
fast beliebige Verwandtschaften und >Versippungen< wahrscheinlich gemacht« (Historisches Jahrbuch 103,
S. 209). Auch Hansmartin Schwarzmaier\i3i sein Unbehagen an den »Ergebnissen« der GBM artikuliert und
abschließend festgestellt: »Damit scheint uns ein zunächst vielversprechender methodischer Weg in die
Sackgasse zu führen« (Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 131.1983, S. 173; vgl. Derselbe im Archiv
für hessische Geschichte NF41. 1983, 438^140; Derselbe in Zeitschrift für württembergische Landesge-
schichte45. 1986, S.457f.).

Bezeichnend ist, daß die wichtigen Ausführungen von Harold Steinacker (»Zur Herkunft und älteren
Geschichte des Hauses Habsburg«. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 58. 1904, S. 181-244,
359-433, hier S. 186ff.), auf deren Bedeutung auch Friedrich von Klocke (Die Grafen von Werl ... In:
Westfälische Zeitschrift 98/99. 1949, S. 67-111, hier S. 107-111) verweist, von Härtung nicht angeführt
werden.

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