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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1990/0028
Hans-Dieter Lehmann

thonen, nicht romanisierten Substrat, dem der Wilheri. Dies blieb in der jüngeren Diskussion
um vorgermanische Uberreste bislang unberücksichtigt.

Das vorgermanische »frühalamannische« Substrat hat vor allem in Inneralamannien Spuren
hinterlassen. Es hat zu starken Unterschieden innerhalb der Alamannia geführt. Die
Meinungen darüber, ob die Bezeichnungen »Alemannen« und »Schwaben« das gleiche
meinen, sind geteilt. Seit dem frühen Mittelalter wurde eine solche Identität behauptet, und
dennoch wurden die Schwaben Inneralamanniens von ihren Verwandten als »anders« empfunden
. Nach Th. Troll62 waren sie über lange Zeiten die »deutschen Nationaldeppen«. Die
»Schwabenstreiche« seit Thietmar von Merseburg liegen auf gleicher Ebene wie die Tolpat-
schigkeiten, die anderswo Romanenresten nachgesagt wurden. Die »Weilheimer Streiche« in
Oberbayern finden durchaus ihre Parallelen auf der Schwäbischen Alb, z.B. in Ganslos, heute
Aufhausen.

Wichtiger als gefühlsmäßig empfundene Differenzen zwischen Stammesverwandten, die
selbstverständlich auch durch die territorialen Entwicklungen in der Alamannia im Mittelalter
und der Neuzeit gefördert wurden, ist die Auswirkung des Substrats auf die Sprachentwicklung
. In Inneralamannien kommen bereits in den frühesten schriftlichen Aufzeichnungen nur
Ausdrücke vor, die die Merkmale der althochdeutschen Lautverschiebung zeigen. Mitzkabl
hat deshalb auf diesen Raum als Ausgangsgebiet der althochdeutschen Sprachentwicklung
geschlossen. Aus der vorgelegten Hypothese wäre abzuleiten, daß hier schon in der Frühzeit
das Substrat einen starken Einfluß auf die Sprechweise der damals allein in Urkunden faßbaren
Oberschicht genommen hatte. Die Aussprache dieser in untere soziale Schichten gedrückten
Vorbevölkerung setzte sich in anderen Gebieten erst später durch - eine Frage der Quantität
des Substrats und der Durchlässigkeit der sozialen Schichtung oder mindestens eine Frage des
Zeitpunktes der sprachlichen Durchlässigkeit. In der Frühzeit fehlt noch der dem heutigen
Wort »welsch« anhaftende negative Beiklang. Dies zeigt der Gebrauch in Personen- und
Ortsnamen.

Geaenich10 war davon ausgegangen, daß sich von den früh in Südwestdeutschland ansässig
gewordenen Germanen keine Stammestraditionen erhalten haben, wie sie bei anderen Stämmen
bekannt sind. Mit dieser Ansicht stimmt er überein mit Stöbe64, der der Schwaben-Origo
ihren Wert als Geschichtsquelle für den deutschen Südwesten völlig absprach. Dieser verfocht
die Ansicht, daß die im Harzvorland aufgezeichnete Schrift ausschließlich im Zusammenhang
mit Zehntbesitzstreitigkeiten des Mittelalters zu sehen sei. Da aber Angaben wie die über die
Wilheri als Vorbesitzer eines Landes, das einer südlich der Donau gelegenen Schwabaue
benachbart liegt, in diesem Zusammenhang völlig unverständlich und belanglos wären,
sprechen solche Hinweise dafür, daß hier tatsächlich südliche Traditionen auf unbekannten
Wegen in den Norden gelangt sind. Ähnlichen Quellen ist Schneider^0 nachgegangen.

Da uns Primärquellen fehlen, muß das Bild der »frühen Alamannen« aus vielen Bruchstük-
ken zusammengesetzt werden. Einige der Mosaiksteine scheinen zusammenzupassen, obwohl
sie aus sehr unterschiedlichen Bereichen stammen. Jeder einzelne Hinweis ist für sich allein
kein »Beweis«, weder für Kelten als »frühe Alamannen« noch für eine Zuordnung von
Solicinio und der Schlacht auf dem Alamannenberg in den Raum am Hohenzollern. In ihrer
Gesamtheit erst ergeben sie ein in sich schlüssiges Bild, das der Vermutung eine hohe
Wahrscheinlichkeit zuspricht.

62 Th. Troll: Deutschland deine Schwaben. 1968. S. 6.

63 W.Mitzka: Hessen in althochdeutscher und mittelhochdeutscher Dialekt-Geographie. In: Beiträge
zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 75 (1953) S. 131. - Ders.: Die Begründung der
althochdeutschen Sprachgeschichte durch die Alemannen. In: Grundfragen der Alemannischen
Geschichte. Hrsg. von Th. Meyer. 1955. S. 54 ff.

64 H. Stöbe: Die Unterwerfung Norddeutschlands durch die Merowinger und die Lehre von der
sächsischen Eroberung. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Friedrich-Schiller-Universität Jena6 (1956/
57) S. 153 ff. und 323 ff.

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