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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1993/0082
Hans Albrecht Oehler

Da sitzt rechts - nach der Uberlieferung - Großbayer auf einem roten Polsterstuhl,
gekleidet in knielanger roter Weste, hellem blaugrauem Leibrock und schwarzen Beinkleidern
, an den Waden mit Schnallen gehalten, und schwarzen Schuhen: ein Bild bürgerlichen
Wohlergehens, wenn da nicht das linke Bein mit hängendem Strumpf, geschwollen und mit
Schwären bedeckt, auf einen Fußschemel gesetzt, zur Schau gestellt würde.

Da seine linke Hand auf den Prospekt eines barocken Sakralbaus zu weisen scheint, hat
sich an das Bild folgende Geschichte gehängt: »Als er beim Bau der St. Anna-Kirche abstürzte
und ein Bein brach, ließ er sich, nachdem er kaum notdürftig wiederhergestellt war, auf den
Arbeitsplatz fahren und leitete den Bau auf einem Stuhl sitzend«8.

So berichtet Hodler, und so paßte das in die örtliche Tradition, die immer darauf aus war,
dem tüchtigen Sohn der Stadt, der es zum Bauaufseher über die fürstlichen Bauten und zum
Bürgermeister gebracht hatte, auch einen - größeren oder kleineren - Anteil an der Entstehung
des Kleinods St. Anna-Kirche zuzurechnen, auch wenn sich das weder aus stilistischen
Gründen noch aus Urkunden belegen ließ. Die Bitte um Heilung nach einem Bauunfall bei
St. Anna käme allerdings recht spät. Die Kirche entstand in den Jahren 1753 bis 1755, und
unser Bild trägt die Inschrift »EX VOTO 1780«. Wenn es Christian Großbayer darstellt, -
und nichts spricht gegen diese Überlieferung, so unsicher sie bleibt, - so nicht zur Bauzeit der
St. Anna-Kirche, sondern kurz vor seinem Tode. Auch die Schäden am Bein scheinen eher auf
einen Venenschaden hinzudeuten als auf eine Unfallverletzung. Allerdings wirkt das runde
Gesicht nicht greisenhaft, aber das könnte auf die naive Malweise zurückzuführen sein.
Schließlich fällt es auch schwer, Franz Xaver Hodler beizupflichten, wenn er auf »ein sehr
interessantes dunkles scharfblickendes Auge« hinweist und damit den Eindruck, es handle sich
um ein Künstlerporträt, verstärkt sieht9. Der Kranke richtet seinen Blick einfach hilfeflehend,
wie das auf einem Votivbild naheliegt, nach oben zu dem Gnadenbild, das dort links vor
bräunlichen Wolken schwebt.

Wem gilt das EX Voto? Einer rotgewandeten Madonna, das Jesuskind in weißer Windel
auf dem linken Arm, in der rechten Hand ein goldenes Szepter haltend! An Mutter und Kind
fällt, vollends im Vergleich mit den rötlichen Wangen und dem teigig blassen Bein des
Bittstellers, der gleichmäßig tiefbraune Hautton auf. Kein Zweifel: Hier wird eine Schwarze
Madonna angefleht.

Von vielen Wallfahrtsorten kennen wir Andachtsbilder aus dem 18. Jahrhundert, die genau
der linken Bildhälfte unseres Haigerlocher Votivbildes entsprechen, auf denen das Gnadenbild
über seiner Kirche schwebt. Die Suche endet in unserem Falle in Maria Einsiedeln. Die dortige
Schwarze Madonna hat ihre Gnadenkapelle im Kirchenraum, und diese Kapelle ist hier so
getreu nachgebildet, daß es nun schwerfällt zu verstehen, daß man die davon so weit entfernte
Fassade der Haigerlocher St. Anna-Kirche darin wiederfand10.

Zu Maria Einsiedeln gab es enge Beziehungen. Dem Heiligen Meinrad, dem aus dem
heimischen Sülchgau stammenden Reichenauer Mönch und Patron von Maria Einsiedeln,
fühlten sich die hohenzollerischen Herren von Haigerloch besonders verbunden. Sie spendeten
wertvolle Reliquien, der Graf Johann Christoph trennte sich 1593 vom Besitz zweier
heiliger Häupter", sein Bruder Karl opferte ein Meßgewand12, Joseph Friedrich, der Erneuerer
der Schloßkirche und Stifter von St. Anna, war schon als siebenjähriger Knabe mit seinen
Eltern nach Einsiedeln gewallfahrt13, gleich nach seiner Verheiratung 1722 machte er sich

8 Hodler (wie Anm. 7) S. 585 f.

9 Hodler (wie Anm. 7) S. 586. Ähnlich auch: Steim (wie Anm. 7).

10 Stich von Franz Xaver Schönbächler (geb. 1719) in der Graphischen Sammlung Stift Einsiedeln,
mitgeteilt durch P. Gabriel Kleeb OSB, Kloster Einsiedeln.

11 Hodler (wie Anm. 7) S. 119.

12 Hodler (wie Anm. 7) S. 123.

13 Hodler (wie Anm. 7) S. 137.

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