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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1993/0089
Großbayer und die Maler

GROSSBAYER UND THUM

Die Kirche in der Kirche

Zwischen 1770 und 1772 entstehen in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander, im
reichsritterschaftlichen Herrschaftsgebiet, das im Norden die Hohenzollern von den österreichischen
Vorlanden trennt, in Hirrlingen und in Frommenhausen, zwei Kirchen, eine große
und eine kleine, die in keiner Quelle aus der Erbauungszeit als Großbayersche Werke genannt
werden, und die doch nicht nur alle für seine Bauten kennzeichnenden Einzelmerkmale tragen
(von den eingezogenen Fensterbogen über den dreipaßförmigen Chorabschluß bis zu den
abgerundeten Raumecken), sondern so sehr das neue Raumgefühl vermitteln, das Wörner so
beredt für Großbayer als Bindeglied zwischen Rokoko und Klassizismus postuliert, daß er
seine Erkenntnis ausgerechnet am Beispiel Hirrlingen darlegt34.

Die Malerei wird hier darüber hinaus zum Zeugen der Architektur, weil nur hier im
Bereich der Großbayerschen Werke die Kirchen an der Decke in ihrem ursprünglichen
Zustand auf Widmungsfresken dargestellt werden. Das Widmungsgemälde in Frommenhausen
trägt den Künstlernamen »Gabriel Ig: Thum«. Man hat ihn als Sproß der vorarlbergischen
Baumeisterfamilie Thum(b) ausmachen können, der 1741 in Bezau geboren ist und zur Zeit
der Zusammenarbeit mit Großbayer noch recht jung war35. Man kennt sonst keine Werke
unter diesem Künstlernamen. So gibt es auch keine Möglichkeit zum Vergleich. Und den
möchte man gerne machen können, wo offensichtlich zwei verschiedene Begabungen, gleichzeitig
aber auch zwei verschiedene Temperamente am Werk waren: eine starke Persönlichkeit,
die energische Gesten, starke Körperbewegungen und knollige Physiognomien gibt, und der
wir in erster Linie die Arbeiten im Hirrlinger Chor verdanken, und eine schwächere, die
konventionell gezeichnete Figuren aneinanderreiht oder übereinander aufbaut. Die Tatsache,
daß ein Großteil der Decke übertüncht war und erst durch Restauration wieder ans Tageslicht
gekommen ist, gibt dafür keine ausreichende Erklärung36.

Das gemalte Hochaltar-Retabel in Hirrlingen ist leider durch einen später erworbenen
plastischen Aufbau verstellt. Dahinter reitet in einer stürmischen Szene der Kirchenpatron
St. Martin auf hoch aufgebäumtem Roß über einer Bettlergruppe37. Vergleichbare Bewegung
herrscht auf dem Abendmahlsbild darüber. Und hier läßt sich nachweisen, daß der Hirrlinger
Maler sein eigenes Temperament einbringt, auch wo er an fremde Erfindungen anknüpft.

Die Abendmahlsgesellschaft hat Thum für sein Hirrlinger Chorgemälde von Sigmaringen
übernommen, wo Meinrad von Ow, dem so Großbayer nun wenigstens indirekt einen Beitrag
verdankt, an der entsprechenden Stelle eine Abendmahlsdarstellung gegeben hatte. Sie war ein
Jahrzehnt früher entstanden38.

Meinrad von Ow seinerseits hatte eine Komposition übernommen, die der große Paul
Troger ein weiteres Jahrzehnt früher für das Refektorium der Zisterzienserabtei Zwettl in
Niederösterreich in Öl und auf Leinwand realisiert hatte39. Dort ist die Perspektive so
gewählt, daß die tafelnden Mönche ihren Blickpunkt in Augenhöhe der Abendmahlsteilneh-

34 Wörner (wie Anm. 2) S. 109.

35 U.Thieme, F.Becker: Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler. Bd.33, S. 114: Artikel Gabriel
I.Thumb.

36 Oscar Kurz: Hirrlingen. 1951. S. 108-111. - Der Landkreis Tübingen. Amtliche Kreisbeschreibung.
Bd. 2. 1972. S.287: »Seccomalerei, 1920 freigelegt und 1957 sorgfältig restauriert«.

37 Auskunft von Pfarrer W. Sieß, Hirrlingen.

38 Norbert Beuter, Hugo Schnell: Stadtpfarrkirche zu Sigmaringen a. D. (Kleine Kirchenführer.
Schnell und Steiner. Nr. 209/210). 1937.

39 Trogers Zwetder Komposition als Vorlage für von Ow neuerdings auch festgestellt von Ingeborg
Maria Buck im Ausstellungskatalog Andreas Meinrad von Au 1712-1792. Sigmaringen 1992. S. 39 und

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