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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1993/0109
Die Beuroner Gnadenkapelle - ein Hauptwerk der »Beuroner Kunstschule«

Zeuge für die Verehrung von Heiligen- und Marienbildern gegen (hier wohl protestantische)
Bilderfeindlichkeit; Ildefons, der Verfasser des Buches »De virginitate Mariae«, und zuletzt
der »Erfinder« des Rosenkranzes, der hl. Dominikus.

Es folgt als »dritter Teil« das neutestamentliche Leben Maria, das sich von der Stirnwand
des linken Querschiffs über die Wand der Apsis bis zum rechten Querschiff zieht. Zu
erwähnen wären allerdings zuvor noch die kleinen Seitenaltäre der Benediktiner-Heiligen
Maurus und Placidus, die sich jeweils in den kleinen Apsiden der Querschiffarme befinden.
Diese Altäre sind wohl bewußt um den zentralen Gnadenaltar in der Hauptapsis gruppiert,
um stellvertretend für die Benediktiner-Kommunität das Gnadenbild erfürchtig zu umrahmen
.

Die Folge der Szenen aus dem Marienleben besteht aus Verkündigungsszenen jeweils an
den Stirnwänden der Querschiffarme, die sechs vergoldete Reliefs in der Apsis umrahmen. Die
sechs Reliefs stellen sechs der »Sieben Schmerzen Mariens« dar, nämlich die Weissagung des
Simeon, die Flucht nach Ägypten, den Verlust des Kindes in Jerusalem, die Begegnung auf
dem Kreuzweg, Maria unter dem Kreuz und die Grablegung. Die siebte Szene dieses Zyklus,
die Kreuzabnahme oder Pietä, stellt das Gnadenbild selbst dar, womit es in diesen Zusammenhang
um die zentrale Heilstat Jesu am Kreuz eingebettet ist. Dies wird dem Besucher noch
deutlicher vor Augen geführt, indem direkt über dem weißen marmornen Gnadenaltar sich die
Apsis-Kalotte wölbt, dessen zentrale Kreuzigung sich gegenüber seinem Vorbild (S. demente
) gerade mit einer größeren Kreuzigungsdarstellung hervorhebt22. Auch das Sinnbild
der Paradiesströme für die vier Evangelien, ebenso die Symbolik der zwei Ströme (Sakramente
) mit den von den Wassern des Lebens trinkenden Hirschen (Seelen) und den Schafen
(Kirche) ist in Beuron deutlicher zu erkennen als in S. Clemente. In der Gnadenkapelle werden
also die dogmatisch relevanten Elemente gegenüber dem Vorbild S. Clemente hervorgehoben.
Da in Christi Erlösungstat am Kreuz das neue Zeitalter der Gnade wurzelt, gehen von den
Wurzeln des Kreuzes - wie in S. Clemente - als Sinnbild des anbrechenden Paradieses
Akanthusranken mit den Vögeln des Himmels aus. Nicht zufällig befindet sich der Tabernakel
für das Allerheiligste, das gnadenspendende Sakrament, direkt unter Kreuzigung und Gnadenbild
, integriert im Gnadenaltar und mit einem Pelikanrelief versehen. Auffällig in diesem
Zusammenhang ist die Betonung des Schmerzes, den die Muttergottes durchlitt und der sie in
das christologische Heilsgeschehen miteinbezieht. Denn der Apsisbogen ist mit einer längeren
Inschrift versehen, die lautet: STEMUS IUXTA CRUCEM CUM MARIA MATRE IESU
CUIUS AN IM AM DOLORIS GLADIUS PERTRANSIVIT. Auch die Inschrift des Gnadenaltars
oder Gnadenthrones betont den »dolor«: VIDETE SI EST DOLOR SICUT
DOLOR MEUS. Die erhoffte Gnade über das Gnadenbild der Schmerzensmutter ist also
auch eng verbunden mit der von Christus für uns am Kreuz erworbenen Gnade, die den
Gläubigen mit dem Sakrament der Eucharistie von der Kirche vermittelt wird.

Der üblichen Verkündigungsdarstellung mit dem Erzengel Gabriel im linken Seitenschiff
steht in bewußter Symmetrie das imaginäre österliche Bild der Verkündigung der Auferstehung
Christi im rechten Querschiffarm gegenüber. Es leitet über zur Kuppel, in deren
Zwickeln die vier Evangelistensymbole zu sehen sind. Interessant dabei sind nicht nur ihre
ägyptisierende stilisierte Form, sondern vor allem die Inschriften-Tafeln jeweils unter ihnen.
Es sind stets Zitate ausgewählt, in den das Wortfeld »Wort/Bitte« eine zentrale Stellung hat,
etwa im Sinne, daß sie stellvertretend für die Fürbitten der Pilger vor der mächtigen
Fürbitterin im Himmel/Kuppel stehen23. Denn in der Kuppel, an deren Fuß das Wasser des
ewigen Lebens fließt, halten acht weißgewandete Engel ein rundes Medaillon mit dem

22 Vgl. Abb.2 mit 4. Die Kreuzigung der Gnadenkapelle wurde von P.Willibrord Verkade gemalt:
Schwind (wie Anm. 2) T. III S. 159.

23 NE TIMEAS ZACHARIA, EXAUDITA EST DEPRECATIO TUA (Mk 1,3); ET VERBUM
CARO FACTUM EST Qoh. 1,14); VOX CLAMANTIS IN DESERTO (Mk 1,3); LIBER GENERA-
TIONIS JESU CHRISTI (Mt 1,1-17).

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