Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1993/0110
Michael Matzke

Halbbild der Gottesmutter und dem Jesuskind in ewiger (rund = ewig!) Verherrlichung und
Verklärung. Zwischen den großen Engeln befinden sich jeweils noch sieben kleine Cherubim,
die zusammen mit den Engeln einen Chor zum Lob der Himmelskönigin bilden.

Wie bereits die Darstellung der singenden und spielenden Prophetin Miriam und die
bildliche Umsetzung der Lauretanischen Litanei weist dieser Engelschor auf die besondere
Bedeutung des Chors in Beuron hin, nämlich auf die Pflege des Chorals als wichtigen Teil der
Liturgie24. Ursprünglich waren vor der Bauplanänderung von 1902 sogar in den Obergeschossen
der Querschiffarme »kleine Mönchschörlein« geplant, um dem in Beuron wieder zum
Leben erweckten gregorianischen Choral auch baulich Rechnung zu tragen. Ebenso wurde
vor dem Gnadenbild ständig gesungen25.

Wollte man nun die Beobachtungen an der Gnadenkapelle auf einige wenige zentrale
Begriffe konzentrieren, so fielen Begriffe wie »Spätantike/Frühes Christentum«, »Jungfräulichkeit
/Mariendogma«, »Gnade/Liturgie«, »Choral« und nicht zuletzt »Funktionalität«: In
der Wahl der Vorbilder für Architektur und Ausstattung, wie auch für Gesang sind vor allem
spätantik-frühchristliche anzuführen. Die Bilder, Propheten und Typen, Symbole und Verehrer
etc. verweisen besonders auf katholische Mariologie und Mariendogmen wie die Gottesmutterschaft
und die Unbefleckte Empfängnis. Die über das Gnadenbild zu erlangende Gnade
ist eng verbunden mit sakramentaler Gnade, das heißt mit Christologie und Liturgie/
Eucharistie. Funktionalität ist gegeben in der mehrfachen Funktion dieser kleinen Kapelle als
Pilger- und Pfarrkapelle, Aufbewahrungsort des Allerheiligsten, religiöser Versammlungsort
der Terziaren (Krypta).

3. EINORDNUNG IN GESCHICHTE UND ZIELE
DES BEURONER REFORMMÖNCHTUMS

Der Ursprungsort dieses modernen Reformmönchtums, Beuron in Hohenzollern, hatte
bis vor der Neubesiedlung durch die Gebrüder Wolter und ihre Helfer (1862) nie eine
besondere Bedeutung. Nach der Säkularisation 1802/03 verschwand mit dem im elften
Jahrhundert gegründeten Augustinerchorherrenstift nicht nur klösterliches Leben aus dieser
Gegend, sondern die fürstliche Staatsmacht zwang zusätzlich noch den Kirchen - teils mit
polizeistaatlichen Methoden - die Prinzipien von Aufklärung und Liberalismus auf26. Dies
äußerte sich dahingehend, daß Manifestationen von Volksfrömmigkeit wie die 1670 begonnene
Wallfahrt zur Schmerzhaften Muttergottes von Beuron, sakramentale Akte wie Segnungen
und Prozessionen, instrumentale und chorale Musik, nicht zuletzt auch Feiertage weitgehend
zugunsten von Kirchenlied, Belehrung und Erbauung zurückgedrängt und abgeschafft
wurden. In dieser Situation trafen zwei historische Prozesse zusammen, nämlich der Anschluß
Hohenzollerns an das damals noch kirchlich liberale Preußen (1850) und die allgemeine
Rückbesinnung des Katholizismus auf seine eigentlichen Werte und Aufgaben, die Katholische
Restauration. So bemühte man sich schon seit 1850 zur Hebung der geistlichen Moral27
um die Einführung eines Ordenskonvents in Hohenzollern, wobei bemerkenswert ist, daß

24 Vgl. P. Corbinian Gindele: Beurons Choralgesang. In: Beuron. 1863-1963. Festschrift zum hundertjährigen
Bestehen der Erzabtei St. Martin. Beuron 1963. S. 308-336, v. a. S. 308-321.

25 Schwind (wie Anm.2) T.III S.87f. und S.90: Zum Beispiel zur Grundsteinlegung der Gnadenkapelle
und zur feierlichen Übertragung des Gnadenbildes erklang die Lauretanische Litanei.

26 Vgl. hierzu P. Damasus Zähringer: Der Beitrag Beurons zur liturgischen Erneuerung. In: Beuron.
1863-1963. Festschrift zum hundertjährigen Bestehen der Erzabtei St. Martin. Beuron 1963. S. 337-357, v.
a. S.337ff.; Otto H.Becker: Die Wallfahrt zum Beuroner Gnadenbild. In: 250 Jahre Abteikirche
Beuron. 1738-1988. Geschichte, geistliches Leben, Kunst. Hg. v. W. Schöntag. Beuron 1988. S. 186-191,
hier S. 186-189; Ders.: Benediktinermönche in Beuron. Ebd. S. 156-185, besonders S. 156-161.

27 1846 nennt zum Beispiel der Pfarrer von Beuron seine Gemeinde »meine Heiden«.

108


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1993/0110