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Die Beuroner Gnadenkapelle - ein Hauptwerk der »Beuroner Kunstschule«
5. DIE GNADENKAPELLE ALS BEURONER KUNSTWERK

Nachdem wir schon festgestellt haben, daß das »Credo« von Lenz, die Mauruskapelle, im
Gegensatz zur Gnadenkapelle nicht den Prinzipien des Beuroner Mönchtums entsprach, stellt
sich die Frage, ob die »Beuroner Kunstschule« die Gnadenkapelle nach den Prinzipien ihres
Initiators, Peter/Desiderius Lenz gestaltet hat.

Bei Betrachtung von Abbildung 2 springt sofort die Symmetrie ins Auge: Markant ist vor
allem die Darstellung der imaginären Verkündigung der Auferstehung an Maria, die genau der
Verkündigung durch Gabriel achsensymmetrisch entspricht. Wenn man sich allerdings eingehender
damit beschäftigt, wird die durch die Arbeit verschiedener Künstler verständliche
Uneinheitlichkeit deutlich. Denn die Kuppel mit der Verklärung Mariens, ausgeführt von
P. Ephrem König, steht mit der gleichmäßig rhythmisierenden Geometrisierung der »tragenden
« Engel, der Seraphim und Monogramme, der Schrift und des Wassers ganz in der
Nachfolge des Desiderius Lenz: Die Geometrisierung und Rhythmisierung nimmt keine
Rücksicht auf die Verschiedenheit und unterschiedliche Bedeutung der Objekte. Die Form
dominiert.

Demgegenüber sind die menschlichen Darstellungen der Seitenwände (zum Beispiel
Abb. 3) zwar auf Symmetrie angelegt, es wurde aber ein deutlicher Unterschied zwischen den
weitgehend mimetisch dargestellten Personen und den Ornamenten als »Hintergrund« gemacht
.

Ohne tiefer ins Detail zu gehen, kann man konstatieren, daß die »Beuroner Kunstschule«
zwar die Darstellungsformeln und Kanonfiguren, einige wenige ägyptisierende Elemente
(zum Beispiel Schilfblattornamente) und Prinzipien wie die Symmetrie von dem Altmeister
angenommen hat, aber, wie oben dargelegt wurde, das Gewicht auf das »Was« der Darstellungen
legte, während die Form an sich als zweitrangig angesehen war und allenfalls durch die
Wahl eines Stils (hier der spätantik-frühchristliche) eine theologische oder politische Aussage
transportierte. Der hohe Styl als Selbstzweck oder eigene theologische Aussage, wie es Peter/
Desiderius Lenz vorschwebte, fand keine Fortsetzung, ja sogar Widerstand seitens der
Oberen, was die oben angeführten Zitate illustrieren sollten. Nur gelegentlich hatten einzelne
Kunstschüler eine ähnliche Begabung zur Geometrisierung und ein ähnlich ausgeprägtes
künstlerisches Flächenempfinden wie der Meister Lenz, zum Beispiel P. Ephrem König oder
der aus dem Kreis der Nabis stammende P. Willibrord Verkade. Dies bestätigt auch die
Ansicht, daß die Kunstwerke des Desiderius Lenz vor allem von seiner persönlichen künstlerischen
Begabung leben und nicht dadurch, daß er seine entdeckten »Urformen« schablonenhaft
reproduzierte. Dies hoben schon alle seine Kritiker und Rezensenten hervor54.

Auch wenn der Traum einer überzeitlichen, wahren christlichen oder »hieratischen« Kunst
natürlich scheitern mußte, weil es so etwas nicht geben kann, führte dieser Traum den
Künstlermönch Lenz zu einem kunstgeschichtlich frühen Zeitpunkt (seit 1864) zu abstrakten
Formprinzipien, die seit ca. 1900 auch rezipiert wurden. Außerdem stellte seine Kunst einen
doch recht beachteten Anstoß kirchlicher Kunst dar, der weltlichen »art pour l'art« eine
kirchliche oder hieratische »art pour Dieu« entgegenzusetzen55. Praktisch scheiterte Lenz an
der theologischen Unverträglichkeit seiner Kunsttheorie56 wie auch der schweren Verständlichkeit
seiner stark stilisierten Kunst und hieratischen Weltferne seiner Kunst - von den
schlechten Umständen für eine neue Kunst ganz abgesehen (gotischer Normstil, Kulturkampf
etc.).

54 Vgl. J. Kreitmeier S.J.: Beuroner Kunst. Eine Ausdrucksform der christlichen Mystik. Freiburg
51923, S. 116ff.; Smitmans (wie Anm.3) S. 195ff. und S. 202ff.

55 Odilo Wolff, zitiert nach Kreitmeier (wie Anm. 54) S. 75 f.

56 Vgl. das lange Tauziehen und die mehrmals geäußerten theologischen Bedenken gegen die von Lenz
geplante Veröffentlichung seines »Kanons«: Dreesbach (wie Anm. 15) S.22ff.

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