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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1993/0152
Wolfgang Schaffer

nahmt und vom Staat vereinnahmt, die Konventualen wurden, soweit sie sich nicht zum
Austritt bereit fanden, pensioniert beziehungsweise auf den Aussterbeetat gesetzt3.

Gleichwohl ist zu konstatieren, daß die Landesherrschaft bei allen eindeutigen Interessen
an einem Zugewinn ihre entsprechenden Maßnahmen sehr viel weniger radikal durchführte als
dies etwa in den benachbarten Staaten Württemberg und Bayern geschah4. Beide Fürsten, und
dies gilt insbesondere von dem Sigmaringer Fürsten Anton Aloys, haben dennoch konsequent
versucht, ihr auf josephinischen Anschauungen basierendes Staatskirchentum in die Praxis
umzusetzen5. Die Kirche wurde in diesem Sinne rein als ein Mittel zu politischen und
Wohlfahrtszwecken benutzt, entsprechend ihre Autonomie und ihr Selbstvollzug auf ein
Minimum reduziert. Bemühungen, auf dieser Grundlage Klöster neu zu gründen, mußten
daher erfolglos bleiben6.

Mit der Auflösung der beiden Fürstentümer Hohenzollern-Hechingen und Hohenzollern-
Sigmaringen beziehungsweise dem Übergang ihres Territoriums an die preußische Krone im
Jahre 1850 änderten sich diese Verhältnisse grundlegend. Die in Preußen vollzogene Abkehr
König Friedrich Wilhelms IV. von der traditionell strengen Kontrolle der katholischen Kirche
hatte dort die Voraussetzungen geschaffen für einen »Ordensfrühling«7, ein Phänomen, das
einmal als der »in der Gegenreformation aufgehaltene Eintritt der Frau in die kirchlich-
caritative Arbeit im weitesten Sinn« bezeichnet worden ist8. Diese Öffnung in der preußischen
Kirchenpolitik, die sich umgehend auch auf Hohenzollern auswirkte, war indes keine rein
preußische Erscheinung, sondern entsprach durchaus einer unter Papst Pius IX. einsetzenden
und sich über alle Länder erstreckenden Gründungswelle neuer Kongregationen und kirchlicher
Institute. Betroffen waren in besonderem Maße das Schulwesen und der gesamte Sektor
der Caritas9.

Insbesondere die preußische revidierte Verfassung vom 31. 1. 1850 brach mit dem strengen
Staatskirchentum der vorhergehenden Jahrzehnte und räumte mit der Freigabe der kirchlichen
Autonomie den christlichen Religionsgemeinschaften bei aller Wahrung staatlicher Ansprüche
ein erhebliches Maß an Freiheit ein10. Sie leistete damit einer Entwicklung Vorschub, die nicht

3 Vgl. J. Wetzel: Geschichte der katholischen Kirche in Schwaben-Hohenzollern. Bd. 2. 1931. 326ff.

4 Vgl. H. Lobmiller: Staat und katholisches Ordenswesen in Württemberg 1800-1848. 1914. - F. Renner
: Die benediktinische Restauration in Bayern seit 1830. In: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte
6 (1987) 57-85. - W.Hug: Die Klosterfrage im Großherzogtum Baden. In: Ebd., 87-98.

5 Vgl. Wetzel (wie Anm. 3) 340.

6 Vgl. A. Rösch: Die Beziehungen der Staatsgewalt zur katholischen Kirche in den beiden hohenzolleri-
schen Fürstentümern von 1800-1850. 1906, bes. 7ff. - Ders.: Das religiöse Leben in Hohenzollern unter
dem Einflüsse des Wessenbergianismus 1800-1850. 1908.

7 Vgl. auch die Zusammenstellungen bei L. Hardick Ofm: Ordensfrühling in Deutschland (1830-1860).
In: An heiligen Quellen 26 (1950/51) 150-152, 165-166, 188-189; 27 (1951) 5-7, 22-23, 50-53. Ebd. 152:
»Ein Vergleich zwischen den beschaulichen und den tätigen Orden führt zu der Feststellung, daß
sämtliche Gründungen in Deutschland zwischen 1830 und 1860 den Charakter des tätigen Lebens tragen.«
Malerisch die Beschreibung des Phänomens mit Blick auf die caritativen Genossenschaften bei A. Laubacher
: Caritasfrühling in den Diözesen Rottenburg und Freiburg im 19.Jahrhundert. In: Rottenburger
Jahrbuch für Kirchengeschichte 6 (1987) 253-262, hier 259: »Wie aufbrechende Blütenknospen, die schon
längst in eisiger Winterkälte auf die ersten wärmenden Frühlingsstrahlen gewartet hatten ...«.

8 H.Jedin: Kirche und Katholizismus im Deutschland des 19.Jahrhunderts. In: A.Rauscher (Hg.):
Entwicklungslinien des deutschen Katholizismus. 1973. 71-84, hier 75. Die Liberalisierung in der
Klosterpolitik hat zwar schon mit der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms IV. seinen Anfang genommen
und seit 1842 sind erste Neugründungen auf preußischem Boden zu verzeichnen (vgl. Hardick, wie
Anm. 7, 151), doch setzte erst die Verfassung von 1850 die eigentliche Zäsur.

9 Vgl. G. Wopperer: Die neuen Formen sozial-caritativer Arbeit in der Oberrheinischen Kirchenprovinz
1834-1870. 1957. - Ebenso mit Blick auf die Verhältnisse in Frankreich B. Degler-Spengler:
»Katholizismus auf weiblich«. In: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 6 (1987) 239-251.

10 Vgl. E. R. Huber: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789. Bd. 3. 1970. 116f. - G. Anschütz: Die
Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat. 1912. 53 ff. - Wetzel (wie Anm. 3) 366 ff.

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