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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1993/0153
Schulorden in Hohenzollern 1850-1875

zuletzt auch den in der Krankenpflege und im Erziehungswesen tätigen religiösen Kongregationen
zugute kam. Letztere zumal konnten nunmehr wesentlich dazu beitragen, daß durch
öffentliche und private Schulen lokal dem Bedürfnis nach genügend Bildungseinrichtungen
zur Erfüllung der Schulpflicht entsprochen wurde. Dieses »Schulangebot« erwies sich als von
um so größerer Bedeutung, als auf diesem Wege einem Defizit an kommunalen und staatlichen
Bildungseinrichtungen begegnet und dem katholischen Bevölkerungsteil konfessionelle Schulen
zur Verfügung gestellt werden konnten.

Vorrangig betraf dies Elementarschulen, zum Teil aber auch »höheren«, also weiterführenden
, Unterricht vermittelnde Schulen, insofern diese nämlich Lücken im Bildungsangebot
schlössen. Dies entsprach vollkommen dem in Art. 24 der Verfassung ausgesprochenen
Grundsatz, die konfessionellen Verbältnisse möglichst zu berücksichtigen. Der gleichfalls
ausgesprochene Grundsatz jedoch, daß die Kommunen die Mittel zur Errichtung, Unterhaltung
und Erweiterung der Volksschulen aufzubringen hatten, sollte darüber hinaus von
großer Bedeutung werden, da die Gemeinden in der Regel ihr legitimes Interesse darauf
richteten, die entstehenden Schulkosten möglichst niedrig zu halten. Dieser Umstand wurde
zu einem der Hauptmotive der Heranziehung religiöser Gemeinschaften im Unterrichtswesen
; auch die Regierung machte kein Hehl daraus, daß der finanzielle Aspekt, also die mit der
Berufung geistlicher Lehrerinnen verbundenen Einsparungsmöglichkeiten, eine wesentliche
Rolle spielte.

Allerdings sind darüber hinaus weitere Motive zu konstatieren, die den »Ordensfrühling«
begünstigten. Das Phänomen der sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts vollziehenden Neugründungen
beziehungsweise der Ausbreitung bereits bestehender Genossenschaften führt sich
nicht zuletzt auf die grundsätzlichen Interessen der katholischen Kirche an der Schule sowie
auf die sozial-caritativ ausgerichteten Interessen engagierter kirchlicher (Laien-)Kreise zurück.
Als einstmals dominierender Bildungsmacht mußte es der katholischen Kirche im 19. Jahrhundert
vor allem darum gehen, gegenüber den Landesherren ihre bildungspolitischen Ansprüche
zu behaupten und sich dem immer stärker werdenden, auf Säkularisierung der Schule
zielenden Zugriff der weltlichen Macht zu widersetzen. Als Medium einer religiös akzentuierten
Erziehung konnte Schule für die Kirche keine neutrale Angelegenheit bleiben. In dieser
Hinsicht kommt den durch die Orden betriebenen Schulen eine ganz besondere Bedeutung
zu, da hier nicht zuletzt der geistliche Status des Lehrpersonals die erwünschte konfessionelle
Bildung vollkommen garantierte.

Schließlich waren es vor allem Defizite im öffentlichen Schulwesen, die zu den vielfältigen
Aktivitäten der Schulorden im Bildungssektor beigetragen haben. Seit der Mitte des ^.Jahrhunderts
konstituierten sich eine Reihe religiöser Gemeinschaften mit dem Ziel, aus praktizierter
christlicher Verantwortung und Nächstenliebe dem bestehenden schulischen und
erzieherischen Defizit zu begegnen. Gefördert wurde diese Entwicklung nicht zuletzt durch
die Bereitschaft staatlicher und kommunaler Behörden, aus der Überzeugung von der
Notwendigkeit einer geschlechtsspezifischen Erziehung sowie einer sittlichen, religiösen und
auch caritativen Einwirkung auf die weibliche Jugend geistliche Lehrerinnen zu akzeptieren.
Aus denselben Einsichten, aber auch aus der zielgerichteten Inanspruchnahme der kirchlichen
Autonomie resultierten daneben die Initiativen von Pfarrern insbesondere ländlicher Gemeinden
zur Gründung konfessionell-katholischer und nach Geschlechtern getrennter Schulen
beziehungsweise Anstalten.

Der Staat entzog sich solchen Entwicklungen um so weniger, als sie seinen bildungs- und
schulpolitischen Grundsätzen entgegenkamen. Die aus seiner Sicht ausgesprochen negativen
Erfahrungen mit dem Volksschullehrerstand in der Revolution von 1848 flössen ein in eine
ausgesprochen reaktionäre Schulpolitik, die sich bis in die 1870er Jahre weitgehend erhielt.
Nicht mehr die Bildung, sondern vielmehr die Grenzen der Bildung standen nunmehr im
Mittelpunkt, die Schule sollte die konservative Gesinnung erhalten und darüber hinaus
konservative Gesinnung erzeugen. Dem Religionsunterricht kam dabei als Zentrum der

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