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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1993/0154
Wolfgang Schaffer

Erziehung eine ganz maßgebliche Rolle zu11. Auch hier lag der Schluß nahe, daß geistliches
Lehrpersonal diese Funktion optimal vermitteln würde.

Die hier angedeuteten Beweggründe und Abläufe sind charakteristisch für alle Provinzen
Preußens, in denen der katholische Bevölkerungsteil zahlenmäßig dominierte. Auch in
Hohenzollern begegnete daher die Einführung weiblicher Genossenschaften für caritative und
für Schulzwecke seitens der staatlichen Behörde, also der Regierung in Sigmaringen, kaum
Bedenken. So übernahmen zum Beispiel Vinzentinerinnen die Spitäler in Sigmaringen,
Haigerloch und Hechingen, wurden sie in der Strafanstalt Habsthal als Aufseherinnen
eingesetzt; Vinzentinerinnen und dann Kreuzschwestern wurden auch in dem von Pfarrer
Geiselhart neugegründeten Haus Nazareth in Sigmaringen aktiv, wie überhaupt der Anteil
Geiselharts an der Förderung religiöser Genossenschaften in Hohenzollern kaum zu überschätzen
ist12. Darüber hinaus fanden an verschiedenen Orten des Regierungsbezirks auch
Schulorden ihr neues Wirkungsfeld, und wie sich deren Wirken konkret vollzog, soll im
Folgenden beleuchtet werden.

2. DAS WIRKEN DER SCHULORDEN IN HOHENZOLLERN
Empfingen

Schon im Juli 1850 erhielten die Schwestern der christlichen Liebe von der Frau des
späteren Sigmaringer Regierungspräsidenten von Sydow, welche kurze Zeit vorher im Paderborner
Mutterhaus an Exerzitien teilgenommen hatte, ein Angebot, die Elementarschule in
Empfingen zu übernehmen. Die Ordensgründerin und Generaloberin Pauline von Mallinckrodt
mußte indes ablehnen, da sie wegen der Gefahr der Entfremdung und Vereinzelung nicht
zwei Schwestern in so weiter Entfernung vom Mutterhaus einsetzen wollte.

Es war der Empfinger Pfarrer Franz Joseph Marmon, der sich Anfang 1855 veranlaßt sah,
die vor Ort obwaltenden sozialen Mißstände bei höherer Stelle in Erinnerung zu bringen13.
Als Geistlicher im nordwestlichsten und wirtschaftlich außerordentlich benachteiligten Zipfel
Hohenzollerns und geborenes Mitglied des Schulvorstandes gehörte er naturgemäß zu jenen
Personen, denen das soziale Elend jeden Tag vor Augen war. Seit Monaten hatte Marmon
versucht, den Ursachen für den materiellen Niedergang des Ortes auf die Spur zu kommen,
umso mehr, als Empfingen noch zwei Generationen zuvor offenbar zu den wohlhabendsten
Gemeinden der Region gehört hatte. Gefunden hatte Marmon eine starke Übervölkerung,
dann aber auch Verhältnisse, die den Seelsorger forderten, nämlich eine große Zahl unehelicher
Geburten, die vor allem der Verwahrlosung und dem Bettel anheimzufallen drohten;
indes war Marmon Realist genug, auch im eigenen Stande schwarze Schafe nicht zu leugnen.
So mußte er zugeben, daß es früher in der Gemeinde eine Reihe falscher Seelsorger gegeben
hatte, die alles andere als ein gutes Vorbild gewesen waren H. Die Pfarrei war darüber hinaus

11 Vgl. Th. Nipperdey: Volksschule und Revolution im Vormärz. In: Politische Ideologien und
nationalstaatliche Ordnung. Festschrift für Th. Schieder. 1968, hier 124f.

12 Vgl. H. Brodmann: Thomas Geiselhart. 1984. - A. Rösch: Der Kulturkampf in Hohenzollern. 1916.
19ff. -J.Wetzel: Thomas Geiselhart 1811-1891. Sigmaringen o.J. 32ff.

13 Es ist bezeichnend und vermag Marmons Eindrücke nur vollkommen zu bestätigen, daß es nicht
zuletzt gerade die Empfinger Zustände gewesen sind, die wesentlich dazu beigetragen haben, daß der
spätere Sigmaringer Geistliche Rat Thomas Geiselhart sich so stark im sozial-caritativen Bereich engagiert
hat. Geiselhart war im Jahre 1839 Vikar in Empfingen und verwies noch Jahre später auf seine
Konfrontation mit den lokalen sozialen Mißständen. Vgl. H. Brodmann (wie Anm. 12) 59-60. Ebenso
Wetzel: Geiselhan (wie Anm. 12) 15 mit einem Zitat aus dessen Tagebuch: Ich bin nicht ungern zum
liberalen Pfarrer Sprießler nach Empfingen gegangen ... Dort sah ich den Abgrund des Unglaubens...«.

14 Es mag sein, daß Marmon dabei nicht zuletzt auch an den ehemaligen Empfinger Pfarrer Josef
Sprißler gedacht hat, der ihm auf Grund seiner Aktivitäten und politischen Radikalität während der

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