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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1993/0155
Schulorden in Hohenzollern 1850-1875

offensichtlich immer wieder als ein Strafort für Geistliche, die sich verfehlt hatten, angesehen
worden. Marmons Folgerung war eindeutig: Soll eine andere Generation entstehen, so muß
die Jugend in jeder Beziehung tüchtig erzogen werden und darum liegt mir auch die Schule vor
allem am Herzen15.

Insbesondere das weibliche Geschlecht nahm er dabei in den Blick, denn gerade bei jenem
stellte er eine seit einem halben Jahrhundert hier wie nirgends eingerissene Verkommenheit
fest16. Mit den Schülern wurde Marmon oft gar nicht mehr fertig, ja hatte sogar schon
mehrfach polizeiliche Hilfe in Anspruch nehmen müssen. Der Hebel war seiner Ansicht nach
vor allem bei einer verstärkten religiös-sittlichen Erziehung anzusetzen: Haben wir fromme,
tugendhafte Mädchen und Jungfrauen, so bekommen wir gute Mütter, haben wir diese, dann
ist das Geschlecht gerettet17. Leisten sollten dies - und damit hatte sich nunmehr der in ganz
Deutschland zu beobachtende Trend auch auf Hohenzollern ausgedehnt - nicht wie weithin
üblich Lehrer, sondern ganz im Gegenteil geistliche Lehrerinnen, nämlich Arme Schulschwestern
aus Rottenburg. Marmon hatte sich aus dem dortigen Mutterhaus bereits das prinzipielle
Einverständnis zur Entsendung zweier Schwestern geholt und auch die Lehrer in Empfingen
hatten keinerlei Bedenken an den Tag gelegt. Marmon hatte hierfür auch schon das geeignete,
um nicht zu sagen zugkräftigste, Argument parat: die geringen Kosten. Die Empfinger
Schulen - jede selbständige Klasse war damit gemeint - umfaßten in jenem Jahr etwa 400
Schüler, für die aber nur drei Lehrer zuständig waren. Die Einstellung zusätzlichen Lehrpersonals
war damit programmiert, doch sollte dies nach Marmons Auffassung eben nicht ein
neuer Provisor, also Hilfslehrer, sein, sondern zwei Schwestern sollten sich das ohnehin
geringe Provisoratsgehalt teilen und im übrigen durch milde Gaben oder einen staatlichen
Zuschuß zusätzlich unterstützt werden.

Es kam Marmons Vorstoß entgegen, daß der Haigerlocher Oberamtmann Emele ihm von
vornherein seine Unterstützung angedeihen ließ. Die Empfinger Bürgerkollegien waren
gleichfalls einverstanden ebenso wie der zuständige Schulkommissar Reiser aus Tailfingen.
Eine Opposition war daher in keiner Weise zu befürchten. Unter diesen Voraussetzungen
erhob schließlich auch die Regierung in Sigmaringen nur unwesentliche Bedenken18.

Marmons Wertschätzung einer besonderen Bildung der weiblichen Jugend entsprach einer
grundsätzlichen Einschätzung innerhalb der katholischen Kirche, die sich seit dem Beginn des
Jahrhunderts immer stärker auszuweiten begann und mit der Ausbreitung der Orden und
Kongregationen nun auch die ideale Möglichkeit sah, ihre Grundsätze in die konkrete
Erziehung einfließen zu lassen. Ausgangspunkt dieser Anschauungen war die Erfahrung, daß
sich offenbar die traditionell koedukative Erziehung an den Volksschulen vielerorten in
sittlich-moralisch verwerflicher Weise ausgewirkt hatte. In den Mittelpunkt rückte nunmehr
die Frau als das schwächere Wesen, dem aber nichtsdestotrotz eine wesentliche Bedeutung für
den Bereich Familie und Erziehung zukam. Die grundsätzliche Entscheidung, in der Schule
Mädchen und Jungen zu trennen, entsprach damit einem pädagogischen Ansatz, den spezifisch
weiblichen Charakterzügen eine konzentriertere und stärker hierauf ausgerichtete Erziehung
und Bildung zukommen zu lassen.

1848er Unruhen in Hohenzollern sicher noch in deutlicher Erinnerung gewesen sein wird. Vgl. dazu
E.Gönner: Die Revolution von 1848/49 in den hohenzollerischen Fürstentümern und deren Anschluß
an Preußen (Arbeiten zur Landeskunde Hohenzollern 2). 1952. Zu Sprißler vgl. auch Fest- und
Heimatbuch Empfingen. Empfingen 1972. 124-126.

15 Ebd.

16 StA Sig Ho 235 XI C 198.

17 Ebd.

18 Ebd. - Sie verwies allerdings auf die Vorschrift des Ministerialreskripts vom 19. 12. 1854, nach
welchem die zu entsendenden Schulschwestern vor dem Provinzial-Schulkollegium in Koblenz ihre
Lehrerinnenprüfung abgelegt haben mußten. Desgleichen war der mit dem Rottenburger Mutterhaus
abzuschließende Vertrag der Regierung zur Prüfung vorzulegen.

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