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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1993/0223
Besprechungen

maßgeblich mitgeprägten Untertanenkonflikten des 17. und 18. Jahrhunderts gerade auch in
diesem Teil des fürstenbergischen Herrschaftsbereiches nur wenig überzeugen. In dem seit
1668 vor dem Wiener Reichshofrat ausgetragenen Prozeß um die von der Herrschaft unter
Berufung auf den Jüngsten Reichsabschied geforderte Sondersteuer der Untertanen zur
Instandsetzung der Festung Wildenstein beispielsweise zeigt sich die angeblich außerordentlich
herrschaftlich geprägte Stadtverfassung Meßkirchs in Gestalt der an der Spitze der
Landschaft und ihres Widerstandes stehenden Stadtammann, Bürgermeister und Ratsherren
zur auch militanten Vertretung der bürgerlichen Interessen gegen die Herrschaft als durchaus
instrumentalisierbar.

Ähnlich unverständlich bleibt Heim die religiös bestimmte bäuerliche Volkskultur der
vorindustriellen Zeit. Wie gerade auch die neuere Agrargeschichts- und Protestforschung
zuhauf nachweisen konnte, ist diese keineswegs primär von »barock anmutenden Auswüchsen
«, »abergläubischer Denkweise« und »Anachronismen«, sondern vielmehr von einer über
weite Strecken durchaus rationalen und zielgerichteten Eigengesetzlichkeit bestimmt und von
einem höchst komplexen Wechselspiel zwischen Eigendynamik und äußeren Einwirkungen
geprägt. Um den Eigenwert der traditionellen bäuerlichen Gesellschaft und ihrer dörflichen
Kultur zu erfassen, bedarf es indessen anstelle einer aufklärerisch wertenden Perspektive von
oben einer sensiblen und zugleich kritischen Auseinandersetzung mit den den Alltag und die
Konflikte dieser vergangenen Welt beleuchtenden und zumindest für die Frühe Neuzeit in
vielfach überraschender Dichte und Ergiebigkeit vorhandenen Quellen.

Die große Stärke von Heims Untersuchung liegt neben ihrer sprachlichen und stilistischen
Eingängigkeit und der durchweg guten Bebilderung in der beeindruckenden kunst- und
kulturgeschichtlichen Kompetenz des Autors. Die Arbeit stellt sich als ein Kompendium zur
barocken Architektur- und Kunstgeschichte des Meßkircher Raums dar, die durch zahlreiche
biographische Abrisse und Querverweise auf Künstler und Bauprojekte illustriert wird. Auch
wenn Heim den Stellenwert der »Künstlerstadt« Meßkirch im Gesamtzusammenhang der
dichten oberschwäbischen Kunstlandschaft mitunter etwas zu überbewerten scheint, bleibt
die Riege der Baumeister, Maler, Bildhauer und sonstigen Kunst- und Geistesgrößen, die im
Meßkircher Raum ihre Spuren hinterlassen haben, gleichwohl beeindruckend genug: Der
vielbeschäftigte Deutschordensbaumeister Johann Kaspar Bagnato war hier zeitweise ebenso
tätig wie das Gebrüderpaar Asam, der Maler Josef Ignaz Wegscheider oder der Bildhauer
Johann Joseph Christian; Franz Joseph Salzmann, der fürstenbergische Baudirektor und
Gestalter der Donaueschinger Residenz, ist ein Sohn Meßkirchs. Höchst interessant ist auch
die Schilderung des liturgiereformerischen Wirkens des kirchlichen Aufklärers und späteren
Wessenberg-Vertrauten Josef Willibald Straßer zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Meßkircher
Herrschaftsort Göggingen.

Heims kenntnisreichem und vielfach mit detektivischem Spürsinn erarbeitetem Abriß der
barocken Architektur- und Kunstentwicklung des Meßkircher Raums gälte es, eine Untersuchung
der »sozialen Grundlagen« (Hartmut Zuckert) dieser kulturellen Entfaltung anzuschließen
, deren materielle Kosten in Gestalt von Abgaben, Steuern und Baufronen unter dem
Strich zweifellos die städtischen und bäuerlichen Untertanen der fürstenbergischen Mäzene
und Bauherren zu tragen hatten. Bei einer eingehenderen, auf die Quellen gestützten und nicht
nur an den kunstgeschichtlichen Leistungen und Resultaten interessierten Untersuchung der
Meßkircher Barockkultur dürfte wohl überdies auch deutlicher werden, daß die Fülle der
barocken Kirchenbauten und Kunstschätze nicht nur auf das herrschaftliche Mäzenatentum
zurückgehen, sondern gleichermaßen auch auf die religiös motivierte Initiative und Unterstützung
gerade auch der bäuerlichen Bevölkerung. Vor allem der Beitrag der ländlichen Heiligen-
pflegekassen zum Auf- und Ausbau der dörflichen Kunstlandschaft mit ihrer typischen
Verbindung von Elementen traditioneller Volksfrömmigkeit und barocker Elitenkultur vor
allem im 18. Jahrhundert ist bislang in der Forschung noch kaum beachtet worden.

Bleibt als Fazit: Meßkirch ist im 17. und 18. Jahrhundert zwar in starkem Maße gerade

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