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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1993/0226
Neues Schrifttum

des 19. Jahrhunderts einzugehen. »Nebenbei« wird noch die soziologische Zusammensetzung
des Ulmer Bürgertums untersucht und eine Bestandsaufnahme des politischen Spektrums der
Ulmer Presse im dritten und vierten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts geliefert. Ein weiter
Themenkreis, bei dessen Behandlung notwendigerweise Unscharfen entstehen müssen. Trox
beabsichtigt auch gar keine Geschichte des Ulmer Bürgertums zu schreiben, macht aber
Appetit auf eine solche und liefert mit seinem Aufsatz weit mehr als eine ausgezeichnete
Skizze der Ulmer Bürger im 19. Jahrhundert. Das andere Ende der Gesellschaftsskala, die
Arbeiterschaft in Ulm und ihre Organisationsformen, untersucht Uwe Schmidt in seinem
ersten Beitrag. Er verdeutlicht, wie sehr die Arbeiter nach Gleichstellung mit dem Bürgertum
strebten, ein Ziel, das sie durch Förderung der Bildung in den während der Revolution von
1848 häufig gegründeten Arbeiterbildungsvereinen zu erreichen suchten. In seinem zweiten
Beitrag »Skizzen zur Sozialgeschichte« verfolgt Schmidt die Hungerkrisen in der ersten Hälfte
des 19. Jahrhunderts und die Versuche, die Krisen durch obrigkeitliche und freiwillige
Hilfsmaßnahmen in den Griff zu bekommen. Wie schon in den Jahrhunderten zuvor gaben
auch noch im 19. Jahrhundert wucherische Aufkäufe von Getreide Anlaß zu sozialem Protest.
Vor- und Aufkäufe sind also nicht erst ein Phänomen des vorigen Jahrhunderts, wie der
Beitrag manchmal den Eindruck erweckt.

Raimund Waihel widmet sich dem Wandel der städtischen Verfassung und Verwaltung.
Die Übertragung der württembergischen Gemeindeverfassung auf Ulm nach 1810 hatte
wesentliche Auswirkungen auf die städtische Sozialstruktur. Die Entwicklung tendierte weg
von der Bürgergemeinde hin zur Herausbildung einer einheitlichen Einwohnergemeinde.
Nach wie vor wurde die Stadt aber von den wohlhabenden Bürgern regiert, mehr als es in dem
Beitrag zunächst den Anschein hat. Indem Waihel nur den prozentualen Anteil der einzelnen
sozialen Gruppen an den Gemeinderatsposten untersucht, dabei aber nicht den Anteil der
jeweiligen Gruppen an der Gesamteinwohnerschaft als Bezugspunkt nimmt, scheint es, als ob
der Mittelstand überproportional im Rat repräsentiert wäre. Waihel korrigiert sein Ergebnis
aber gleich wieder selbst, indem er dann feststellt, daß große Steuerzahler überdurchschnittlich
im Rat vertreten waren. So zeigt sich erneut die Bedeutung der Abkömmlichkeit: die
zeitraubende, ehrenamtliche Tätigkeit eines Gemeinderats auszuüben, konnte sich eben nicht
jeder leisten. Als Folge der Oligarchisierungstendenzen wurden in Fortsetzung der Tradition
früherer Jahrhunderte Bürgerausschüsse zur Kontrolle des Rats eingesetzt. Insgesamt liefert
Waihel mit seinem Aufsatz einen exzellenten Abriß der Ulmer und damit gleichzeitig auch der
württembergischen Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte im 19. Jahrhundert. Und darüber
hinaus werden noch prosopographische Studien zu den Ulmer Oberbürgermeistern des
vorigen Jahrhunderts geboten.

Die im kirchlichen Bereich auftretenden Veränderungen, wie z. B. die verstärkten obrigkeitlichen
Eingriffe, die Verschiebungen in der konfessionellen Zusammensetzung der Bevölkerungsstruktur
oder das Aufleben des Vereinswesens auch bei den Religionsgemeinschaften,
dokumentiert Martin König, dessen Beitrag ganz in Katalogform verfaßt ist.

Die folgenden Aufsätze sind kürzer gehalten. Manfred Kindl behandelt die öffentlichen
Schulen und Karin Weltin die Ulmer Presse. Weltins überblicksartige Ausführungen ergänzen
den erwähnten Beitrag von Trox, erübrigen jedoch nicht weitere Untersuchungen zur
Geschichte der äußerst vielfältigen Ulmer Presselandschaft. In spannender und amüsanter
Weise berichtet Georg Loges über die Geschichte des Ulmer Theaters. Nicht immer dürfte in
früheren Jahrhunderten ein Theaterbesuch das reine Kunstvergnügen gewesen sein, wenn von
der Beleuchtung des Zuschauerraums aufsteigende Rauchschwaden die Handlung auf der
Bühne verdunkelten. Weitere thematische Einzeluntersuchungen sind aus berufenem Munde
dem Ulmer Schmuck und den Ulmer Möbeln (Helga Müller-Schnepper), den Anfängen der
Photographie in Ulm (Wolfgang Adler), der Stadtentwicklung (Walter Güßmann) sowie der
Ulmer Garnison (Bernd Lemke) gewidmet.

Insgesamt vereinigt das anzuzeigende Buch eine Vielzahl äußerst gelungener Arbeiten, die

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