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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1996/0062
St. Fidelis

so ists gewißlich ein großes Anzeichen der Verwerfung und des obliegenden Verderbens.
Wollte Gott, daß wir diesen schrecklichen Punkt wohl zu Herzen nehmen, jene gar, welche
zwar sich bei der Predigt fleißig stellen, aber sich aus sich selber nicht ändern, so wie sie vor
der Predigt unkeusch, meineidig, hoffärtig, geizig, neidig und dem Schlemmen und Prassen
ergeben gewesen, ebenso verbleiben sie nach der Predigt. Gedenk, o Mensch, was der heilige
Paulus Erschreckliches sagt: Die Erde, die den Regen aufnimmt und dennoch Disteln und
Dömer trägt, die ist verworfen, die ist dem Fluche nahe, das End ist die Verbrennung. Ach wer
will den Greuel dieser Worte fassen? Durch den Regen wird verstanden das Wort Gottes
Deuterimonium 2, 2: Meine Rede trifft wie der Regen und meine Rede fließt wie der Tau.
Derohalben, wenn dieser Regen, das heilige Wort Gottes, die heilige Predigt oft auf dich
regnet, dieselbige du oft anhörst, und dennoch die Disteln und Dornen der Laster trägst, so
bist du von Gott verworfen, so bist du dem Fluche nahe, so ist dein End die Verbrennung im
höllischen ewigen Feuer. Erschreckliche Worte sind diese des heiligen Paulus Worte, die wohl
sollten ein steinernes Herz zerbrechen, Worte, die jeden sollten zwingen und durch die heilige
Predigt Buße hervorbringen.

Und damit wir hinfüro solches tun mögen, so ist fürs dritte zu merken, daß man soll die
Predigt mit gutem Willen vom Anfang bis zum End, wo immer es möglich ist, anhören mit
stiller Aufmerksamkeit und mit Demut, damit wir als die gute Erde den göttlichen Samen
empfangen, fassen, behalten und Wurzel schlagen lassen, daß wir auch daraus vielfältige
Frucht bringen mögen; welches dann geschehen würde, wenn der Mensch über obgesagte
Stücke recht betrachtet, daß er in der Predigt nicht menschliche, sondern göttliche Worte, ja
mehr Gott selbst als einen Menschen anhören wird. Denn ein wahrer und von der Kirche
ordentlich gesandter Prediger solche Worte redet, welche er nicht aus eigenem Kopfe
erdichtet, sondern welche der heilige Geist ihm mitgeteilt hat. Und von solchen ist zu
verstehen: Non estis vos, qui loquimini, sed Spiritus sanctus qui loquitur in vobis. Nicht ihr seid
es, die da reden, sondern der heilige Geist ists, der in euch spricht.

Derohalben kann ein Zuhörer, dem seiner Seele Heil angelegen ist, hieraus sehen, mit
welcher Aufmerksamkeit derjenige anzuhören sei, welcher nicht menschliche, sondern göttliche
Dinge lehret; derjenige, durch welchen Gott selbst redet; derjenige, welcher deswegen
Gottes Stelle vertritt und vermehrt. Nicht weniger schuldig und strafwürdig wird derjenige
sein, welcher das Wort Gottes hinlässig anhören wird, als derjenige, welcher aus Hinfälligkeit
hat lassen den Leib Christi auf die Erde fallen. Dies sind erschreckliche Worte, und wenns
nicht dieser heilige, hocherleuchtete Kirchenlehrer Augustinus sagte, könnten sie manchem
allerlei Gedanken und Zweifel bringen, denn gedenken wir: Wenn einer sollte das heilige
Sakrament, worin Gott gegenwärtig ist, verschütten sollte, aus Unachtsamkeit auf den Boden
fallen lassen, was für ein Schrecken, was für ein Zittern, was für ein klägliches Seufzen würden
wir hören und sehen? Nun, wenn du das Wort Gottes hinlässig anhörst, so sagt der heilige
Augustin, du seiest ebensosehr schuldig und strafwürdig als der, welcher das heilige Sakrament
, den Leib Christi, aus Hinlässigkeit auf den Boden [hat] fallen lassen.

Ach, woher kommts, daß du über eine Hinlässigkeit nicht erschrickst, nicht zitterst, nicht
seufzest! Daher weil du nicht betrachtest, was für ein hochwichtig, was für ein hochwürdig
Ding das Wort Gottes sei.

Zum vierten soll der Zuhörer sich befleißen, daß er gegen den Prediger wohl geneigt sei,
ihn für einen ehrwürdigen, frommen Priester halte und alles, was er von ihm hört, in Zucht
aufnehme, daß er sei als seines geistlichen Vaters und Meisters ein gehorsames Kind, ein guter
Jünger sei, und nicht [als] ein ungehorsamer und böser Censor glossieren und ausrichten.

In welchem Stück viele sich nicht wenig versündigen, und deshalb der Same, das Wort
Gottes, bei ihnen verloren auf den Weg, Felsen und Dornen fällt und nichts ausrichtet;
deshalb, wann ein Prediger etliche natürliche Unvollkommenheiten hätte, als da ist eine
übelgelöste Zunge, eine schlecht tönende Stimme, nicht sonders gereimte oder geschickte
Gebärden, so sollen die Zuhörer solche mit Geduld übertragen und vornehmlich dahin stehen,

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