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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1996/0081
St. Fidelis

Weg des Friedens kannten sie nicht.« Wie brüllende Löwen verfolgten sie ihn mit hastigem
Lauf. Auf einer abschüssigen Wiese umzingelten ihn etwa achtzehn bis zwanzig Männer, und
so wie Bären knurren gegen eine klagend gurrende Taube, schrien sie laut, daß er sich ihnen
gefangen geben solle. Wie einige Katholiken berichteten, die bei seiner Predigt dabeigewesen
waren, sich auf dem gleichen Wege zu retten versuchten und seinen Spuren gefolgt waren, gab
er diesen folgende Antwort: »Dies tue ich nicht.« Jene erwiderten: »Wenn du dich uns als
Gefangener stellst, dann gut; wenn aber nicht, werden wir dich töten.« Und er antwortete:
»Dies könnt ihr wohl tun; ich habe mich bereits direkt Gott und seiner geliebten jungfräulichen
Mutter Maria empfohlen. Aber paßt auf, daß euch diese Tat nicht reuen wird!« Nachdem
sie dies gehört hatten, stürzten sie sich wutschnaubend auf ihn und versuchten, seinen Kopf
mittendurch zu spalten; aber der Versuch mißlang. Dennoch fügten sie seinem Hinterkopf
zwei äußerst grausame und schwerwiegende Wunden zu und trennten die beiden Teile mit
Haut, Fleisch und Knochen gewaltsam voneinander, wie man es auch heute noch klar und
deutlich an seinem Schädel sehen kann, der im Kapuzinerkloster von Feldkirch aufbewahrt
wird. Außerdem sieht man am Hinterkopf noch einen weiteren Schlag von der Größe eines
Dukaten und andere durch Knüppelschläge verursachte Bruchstellen, die später von den
Mitbrüdern auf die bestmöglichste Weise wieder zusammengeklebt wurden. Sein Kopf wäre
gleich einem Topf aus Ton in Stücke zerbrochen und in Teile zersplittert, wenn diese nicht
dank der Haut zusammengehalten worden wären. Ebenso zerschmetterten die Mörder mit
Knüppeln seine Seiten und durchbohrten sie mit Schwertern, daß bei der Brust das Blut nach
allen Seiten herausfloß, wie dies sein Ordensgewand, das in der Brustgegend noch mit Blut
bespritzt war, und darauf gefundene Schlagspuren beweisen können. Auch bezeugte der
Sakristan, der die Leiche zusammen mit seinem Vater von der Wiese und dem Ort des
Martyriums zum Friedhof von Seewis übertragen hatte, daß der eine Fuß beim Gelenk
größtenteils abgehauen worden war.

[4. Kapitel: Wie der bestattete Leichnam des Seligen aufgefunden wurde. Die Blume, welche
auf wunderbare Weise aus seinem Grabe herauswuchs, und wie das Schloß Maienfeld auf seine
Fürbitte hin verschont wurde.]

12. Diese derart grausame und entsetzliche Mordtat ereignete sich zwischen zehn und elf Uhr
dieses Tages an jenem Ort. Von dem Moment an lag der Leichnam voller Wunden und
blutbesudelt bis ungefähr um acht Uhr am folgenden Tage auf der grünen Wiese. Dann nämlich
wurde er auf Drängen und Bitten seines Gefährten, des Paters Br. Johannes von Grünwangen,
der in Grüsch ebenfalls verwundet gefangen gehalten wurde, vom Sakristan im Friedhof von
Seewis begraben. Zuvor aber hatte dieser den üblichen Lohn von sechs Batzen erhalten.

13. Nachträglich zeigte sich bei der Exhumierung, daß der Sakristan den Leichnam auf
geziemend fromme und christliche Art und Weise bestattet hatte; er hatte ihm den Kopf in die
Kapuze eingehüllt sowie Hände und Arme kreuzweise übereinander auf die Brust gefaltet; die
eine Sandale hatte er anstelle eines Kissens unter den Kopf gelegt, die andere beließ er am Fuß;
ebenso ließ er ihm auch das Ordensgewand unversehrt und bedeckte damit ehrfürchtig den
Körper; um den Hals hatte der Tote ein Agnus Dei und ein spanisches Kreuz gehängt. Aus der
Grabmitte wuchs eine Blume empor, deren Stengel die Höhe einer Doppelelle überschritt; ein
Soldat der Schutztruppe pflückte sie und brachte sie als eine wunderbare und neuartige Sache
nach Chur, weil in jenem ganzen Friedhof bisher noch nie eine ähnliche Blume gewachsen
war. Die Brüder Kapuziner der Niederlassung von Feldkirch trugen die Pflanze mit sich fort;
sie war gelb und glutrot, wie wenn sie mit Blutstropfen besprengt worden wäre.

14. Da der Kopf bereits gewaltsam vom Körper getrennt worden war, nahmen ihn die Brüder
mit sich nach Feldkirch. Acht Tage später, am Fest des heiligen Evangelisten Lukas wurde der
Leichnam auf eine neue Totenbahre gelegt und mit einem Vierradwagen in die Stadt Maienfeld
überführt. Im Haus des Hauptmanns Gugelberger, welches der durchlauchte und edle Herr

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