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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1996/0082
St. Fidelis

Alwig, Graf von Sulz, der Befehlshaber der österreichischen Truppen, bewohnte, bewahrte man
ihn in einem Kellergewölbe auf, bis die militärische Schutztruppe von da nach Chur aufbrechen
würde. Der erlauchteste und hochwürdigste Herr Bischof von Chur und das ehrwürdige
Domkapitel hatten nämlich inständig geforden, daß er in ihrer Kathedrale begraben würde.

15. Am folgenden Tag brannte die Stadt Maienfeld völlig nieder. Zu dieser Zeit trieb ein
starker Wind Flammen und Asche des Feuers gegen das Stadtschloß, in welchem sich
Kriegsgeräte jeder Art, 27 Gefäße mit Schießpulver und Truppenproviant befanden. Der Wind
fuhr auf diese Pulverfässer zu, so daß man nichts anderes als das Zerbersten des Schloßes und
den vollständigen Untergang der Soldaten befürchten mußte. Mitten in diesem allgemeinen
Schrecken und Entsetzen begann der durchlauchte Herr Graf von Sulz, der Befehlshaber der
Truppen, nicht ohne göttliche Eingebung, wie die fromme Meinung glaubt, bei sich folgendermaßen
zu überlegen und bloß in seinem Geiste zu sprechen: »Wenn der Pater Fidelis ein
Heiliger ist, dann wird, wie ich hoffe, seine unbezweifelbare Fürbitte bei Gott, dem Herrn, ein
solches Gewicht haben, daß wir aus diesen großen Gefahren errettet werden.« Und augenblicklich
wandte sich der Wind in wunderbarer Weise plötzlich vom Schloß weg in die
Gegenrichtung, und die Funken, die auf das Schießpulver gefallen waren, brachten überhaupt
keinen Schaden, obwohl am vorhergehenden Tag der Truppe Pulver verteilt und etwas davon,
wie es vorkommt, verschüttet worden war und auf dem Boden verstreut herumlag. Nachdem
er seinen Mut wiedergefunden und das Volk bestärkt hatte, beeilte sich der Herr Graf, das
Schloß zu bewahren. Das Dach war nämlich auf der Vorderseite gegen den Innenhof zu
bereits in Brand geraten, das Feuer wurde jedoch wieder gelöscht, alle Kriegsgeräte, Vorräte
und das Schloß selbst blieben unbeschadet und wurden vollständig gerettet, und dies zweifellos
dank der Wirkung des genannten Bittgebetes; so hat dies der Herr Graf eigenhändig
niedergeschrieben und mit seinem Siegel versehen bezeugt.

[5. Kapitel: Der Leichnam des seligen Fidelis wird feierlich nach Chur überführt und dort
beigesetzt. Erscheinung des Seligen vor Placidus Vigell]

16. Am fünften November zogen die Truppen nach Chur und überführten dabei auch die
Leiche des Paters Br. Fidelis dorthin. Sie lag in der Zwischenzeit, nachdem das Städtchen
Maienfeld vollständig niedergebrannt war, im Feldlager unter freiem Himmel, doch gegen die
Unbill der Natur geschützt und von den Soldaten Tag und Nacht bewacht. Als man schon in
die Nähe von Chur gelangt war, betrat zuvor der Herr Graf von Sulz die Stadt und
benachrichtigte das ehrwürdige Domkapitel von der Ankunft des Leichnams. Nachdem er die
Stadt wieder verlassen hatte, zogen die hochwürdigen Herren Kanoniker sogleich in ihren
geistlichen Gewändern mit dem Kreuz und weißen Fahnen in Prozession aus der Stadt heraus
dem Leichnam entgegen, nicht ohne Bewunderung und Betroffenheit von Seiten der Churer
Bürger, weil man seit Menschengedenken noch nie etwas derartiges gesehen hatte.

17. Als man zu den Stadttoren gelangt war, ließ der Herr Graf die Soldaten geordnet
aufstellen und den Leichnam, der zwischen den Sulz'schen und den Salzburger Truppen
gefahren wurde, an die Prozessionsspitze stellen, vom Wagen herunternehmen und auf eine
Tragbahre legen. Dann wurde er mit einer grünen Leinendecke verhüllt, und ein mit gelben
Blumen bestickter roter Teppich wurde darübergelegt. Auf dem Teppich lagen ein schöner
Kranz und Palmenzweige.

18. Allen voran schritten Kreuz und Fahnen, dann kamen die Sänger und die hochwürdigen
Herren Kanoniker; ihnen folgten zwei Chorknaben mit zwei Kränzen und ebenso vielen
Palmzweigen, welche sie mit der rechten Hand trugen, die Kränze hingegen mit der linken.
Anstelle des »Requiem« trugen die Sänger durch die Stadt hin in feierlichem Choralgesang die
Litanei der seligen Jungfrau vor.

19. Hinter den beiden Knaben trugen vier salzburgische Offiziere den Leichnam. Ebenfalls
trugen Salzburger beidseitig je zwei Prozessionstortschen [= Prozessionsfackeln]. Einer dieser

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