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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1996/0112
St. Fidelis

Kälte und Entbehrung, Wagnis und Todesgefahr konnten ihn nicht davon abhalten. Selbst die
Irrgläubigen mußten staunend Zeugnis ablegen für seinen wunderbaren Eifer, seine Heiligkeit
und Gelehrsamkeit.

Zum Ertragen dieser außerordentlichen Mühen trieben ihn an die Erhabenheit des
übernommenen Amtes und die reichen Segensfrüchte für die Seelen, die er täglich wahrnehmen
durfte, da viele Häretiker jeden Standes und Alters zur Kirche zurückkehrten; es trieb ihn
aber auch an die geheime, liebgewonnene Hoffnung, nun doch jenes Ziel zu erreichen, das er
schon lange vorher ersehnt und in heißen Gebeten erfleht, aber fast als unerreichbar betrachtet
hatte, nämlich gewürdigt zu werden, für den Namen Christi Blut und Leben hinzugeben.

Der Feind des Menschengeschlechtes ertrug es tatsächlich nicht lange, daß dieser Mann so
manche Beute ihm wieder entriß und daß durch dessen Wirken seine Hoffnung, täglich neue
Völker und Länder sich zu unterwerfen, eher ins Gegenteil umschlug und er vielmehr wieder
preisgeben mußte, was er sich schon unterworfen hatte. Da er also sah, wie Fidelis täglich mit
Erfolg an der Ausrottung des Irrtums und an der Ausbreitung des katholischen Glaubens
arbeitete und wie sein Werk infolge der guten Einstellung des Volkes und der Autorität der
Regierung mehr und mehr in der ganzen Gegend sich festigte, erfüllte er einige der verblendet-
sten Anhänger des Irrglaubens mit teuflischer Wut und gab ihnen den Plan ins Herz, den
Diener Gottes, diesen machtvollen Bekämpfer ihrer irrigen Lehren und Religionsgebräuche
und Leiter der ganzen apostolischen Missionstätigkeit zu beseitigen.

Als sich Fidelis eines Tages im Dorfe Luzein aufhielt und die Verschwörer davon erfuhren,
sandten sie einige Bewohner der benachbarten Gemeinde Seewis zu ihm, die mit erheuchelter
Frömmigkeit ihn baten, er möge am nächsten Sonntag in ihrer Kirche predigen, und ihm
sagten, er dürfe überzeugt sein, daß seine Predigt nicht fruchtlos bleiben werde. Es lagen nun
bei allem dem so viele Anzeichen vor, aus denen Fidelis mit Recht auf Täuschung und
Hinterhalt schließen konnte. Aber veranlaßt vom Bestreben, auch den Schein einer Vernachlässigung
seiner apostolischen Aufgabe zu vermeiden, und vor allem getrieben vom Entschluß,
dem Martyrium unter keinen Umständen aus dem Wege zu gehen, begab er sich, mehr besorgt
um das Heil der Seelen als um sein eigenes Leben, in der Frühe des festgesetzten Tages, es war
der 24. April 1622, nach Seewis. Dort brachte er zunächst dem allmächtigen Gott das
unbefleckte Opfer dar und stärkte sich mit dem eucharistischen Brote. Dann bestieg er voll
Feuer und Eifer und mit entschlossener Willensbereitschaft zum Martyrium die Kanzel.
Droben fand er als Ankündigung seines bevorstehenden Todes auf einem Zettel die Worte
geschrieben: »Heute predigst du zum letzten Mal«. Das vermochte ihn nicht zu schrecken und
seinen feurigen Eifer nicht zu tilgen. Er fing an, mit dem gewohnten Freimut dem zahlreich
versammelten Volke die Wahrheit zu verkünden und die Irrenden zu mahnen, daß sie
zurückkehren zur Kirche, der Jüngerin des unverfälschten Glaubens und Förderin der seligen
Hoffnung. Da füllt sich die Kirche plötzlich mit bewaffneten Leuten an, die ein Gedränge
verursachen und mit unsinnigem Geschrei die Predigt unterbrechen. Alle bedrohen Fidelis mit
ihren Schwertern, Keulen und Gewehren. Einer schießt auf ihn, ohne aber zu treffen. Fidelis
erkannte, daß seine letzte Stunde gekommen sei. Er stieg von der Kanzel herab, warf sich an
den Stufen des Hochaltares auf die Knie nieder und bot aufs neue Blut und Leben Gott willig
zum Opfer dar. Nachdem er seinen letzten Kampf, den Frieden der Kirche und selbst seine
Verfolger, ihre grausamen Herzen und blutrünstigen Gemüter, dem Herrn empfohlen hatte,
verließ er, gewappnet mit dem Schild des Glaubens und dem Harnisch der Hoffnung, durch
die Seitentüre die Kirche und ging unerschrocken dem sichern Tod entgegen. Schon durch
dieses Benehmen offenbarte er eine nicht geringere Seelengröße und Tapferkeit, als wenn er
schwerste Qualen und langdauernde Schmerzen tatsächlich an seinem Leibe starkmütig und
geduldig ertragen hätte. Denn wer dürfte behaupten, daß die Bedrängnis eines Menschen, dem
man den unmittelbar bevorstehenden Tod so vor Augen stellt, dem man den Ablauf seiner
Ermordung unter Tumult und schrecklichen Drohungen vormalt, kleiner sei, als wenn sein
Leib wirklich den Schmerz von Wunden erduldete, wie solche oft auch von kräftigen Männern

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