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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1996/0123
St. Fidelis

Im Dritten Reich wurde zunächst auch die Fidelisprozession in Sigmaringen nicht
angetastet. 1934 marschierte die SA, traut vereint mit den katholischen Vereinen, den
Schülern, den Franziskanerpatres von Gorheim und mit den Behördenvorständen, durch die
Stadt. Der Druck auf diese religiöse Veranstaltung nahm freilich zu. Nach 1936 wurde in der
Hohenzollerischen Volkszeitung darüber nicht mehr berichtet. In seinen Gedanken zum
Fidelisfest 1937 drückte der unvergessene Hubert von Lassaulx seine Sorgen über die
Bedrückungen der christlichen Kirchen u.a. in folgendem Stoßgebet aus: »Möge der heilige
Fidelis allen Christen, die ihren Glauben auch unter Opfern bekennen müssen, Vorbild und
Fürsprecher sein!«

Der kirchliche Anzeiger für die Stadtpfarrei St. Johann erschien ab Nr. 22 vom 8. Juni 1941
»aus Gründen der Kriegswirtschaft« nur noch maschinenschriftlich. Obwohl das Reichssicherheitshauptamt
in Berlin mit Anordnung vom 16. Mai 1942 verfügt hatte, daß künftig
Prozessionen nur noch auf kircheneigenem Grund und Boden stattfinden sollten, konnten in
Sigmaringen die Fidelisprozessionen aus bisher unerfindlichen Gründen bis 1944 in der
üblichen Form durchgeführt werden.

Daß sich der Stadtpatron aber dennoch den Haß der Repräsentanten des NS-Staates
zugezogen hatte, wird durch folgenden Vorfall deutlich. Um den Jahreswechsel 1944/45
hatten zwei Hitlerjugend-Führer die alte Holzstatue des Märtyrers an der Ecke des Fidelishauses
nachts gewaltsam entfernt und danach in die Donau geworfen. Der damalige städtische
Polizeibeamte Emil Fröhlich, der den Vorfall beobachtet hatte, machte schließlich darüber
Meldung. Gegen die Täter wurde freilich nichts unternommen. Dafür bekam der Polizeibeamte
einen Stellungsbefehl und mußte an die Front, wo er dann Anfang 1945 in Schlesien
gefallen ist.

Nach Berichten von einigen Zeitzeugen sowie einer amtlichen Niederschrift wurden
unmittelbar vor dem Einmarsch der Franzosen am 22. April 1945 die Gemüter in der Stadt
durch eine Meldung in höchste Aufregung versetzt: Sigmaringen sollte durch einen Luftangriff
zerstört werden. Man hielt daraufhin in der Pfarrkirche St. Johann eine neuntägige
Andacht zu Ehren des heiligen Fidelis, damit auf dessen Fürbitten hin die Stadt von diesem
Unheil verschont bleibe. Die Bomber sollen sich nach den Berichten bereits im Anflug
befunden haben, konnten aber wegen starken Nebels ihr Ziel nicht ausmachen, so daß sie
schließlich abdrehen mußten. Obwohl sich dieses »Fideliswunder« letztendlich objektiver
Nachprüfungen entzieht, zeigt es doch, welches Vertrauen die Sigmaringer ihrem Patron
entgegenbrachten.

An eine Durchführung der Fidelisprozession 1945 zwei Tage nach der Besetzung durch
französische Truppen war zwar nicht zu denken, doch wurde ab 1946 das Fidelisfest in den
überlieferten Formen wieder begangen. Der Ablauf des Festes erstarrte allmählich zu einem
festen Ritual. 1956 stiftete Fürst Friedrich von Hohenzollern eine Fidelisstiftung an der
Universität Freiburg i. Br.

Bewegung in die Fidelisverehrung brachte erst wieder Pfarrer Richard Schell, der am
27. April 1958 mit der Stadtpfarrei Sigmaringen investiert wurde. Der neue Stadtpfarrer, der
selbst ein großer Verehrer des Heiligen ist und sich auch als Fidelis-Forscher einen Namen
gemacht hat, schuf im Hinblick auf die stark gewachsene Zahl der Gläubigen eine zweite
Kirche im Sigmaringer Hanfertal, die auf seine Initiative hin am 25. April 1964 zu Ehren des
heiligen Fidelis geweiht wurde. St. Fidelis war zunächst Kuratie, wurde dann aber im Oktober
1969 zur Pfarrkirche erhoben. Um die Fidelisverehrung zu aktivieren, erwarb Pfarrer Schell
1960 von Chur eine weitere Fidelisreliquie für die Pfarrkirche St. Johann.

Den Bemühungen des Geistlichen lief aber die im Zweiten Vatikanischen Konzil
(1959-1965) entfachte ökumenische Bewegung entgegen, die bei Katholiken, aber auch bei
evangelischen Christen auf große Akzeptanz stieß. Damit ergab sich auch die Frage, inwieweit
St. Fidelis als Heiliger der Gegenreformation überhaupt noch aktuell sein konnte. In dieser
Diskussion schien schließlich die Fidelisverehrung insgesamt auf der Strecke zu bleiben. 1970

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