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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1996/0256
Frank Raberg

Gebhard Müller50 angefragt, ob ihm dieser einen eigenen oder einen Entwurf von anderer
Seite baldmöglichst in Abschrift übersenden könne. So war der Weg zu einer eigenständigen
Verfassungsschöpfung schon frühzeitig von einem einflußreichen CDU-Politiker
artikuliert worden. Bock war es auch, der in der 1. Sitzung des Verfassungs-Ausschusses
sagte, daß er es als entwürdigend empfinden würde, die Stuttgarter Verfassung zu übernehmen
, weil wir doch wesentliche Änderungen vorzuschlagen haben.51

Dennoch war es nicht, wie man nun annehmen könnte, Bock, der den Gang der Beratungen
im Verfassungs-Ausschuß maßgeblich bestimmte, sondern Emil Niethammer52,
der laut Auskunft Gogs vor dem Plenum ja lediglich als Mitarbeiter hatte herangezogen
werden sollen. Ein gemeinsam von Bock und Niethammer erarbeiteter Verfassungsentwurf
ging dem Verfassungs-Ausschuß am 27. Februar 1947 zu, nachdem ein zunächst
von Bock allein erstellter Entwurf schon innerhalb der CDU-Fraktion als nicht zufriedenstellend
zurückgewiesen und Niethammer beauftragt worden war, Korrekturen daran
vorzunehmen. Dann erst erarbeiteten Bock und Niethammer - übrigens in enger Absprache
mit Gebhard Müller, dem bei den Verfassungsberatungen ganz zweifellos eine
Schlüsselrolle'3 zuwuchs - gemeinsam den Entwurf, der dann als Grundlage der weiteren
Beratungen dienen sollte.54 Niethammers Text stimmte in der Betonung der Staatsautorität
zwar grundsätzlich mit Bocks Entwurf überein, vermied aber, »primär sittliche
Normen oder bloße Aussagen über soziale Verhältnisse in den Bereich des Rechts hereinzunehmen
: er vermeidet auch eine zu starke Betonung der Schutzpflicht des Staates
über die Kirchen«.55

Der Verfassungs-Ausschuß konnte aufgrund der langen Dauer, welche die Ausarbeitung
des Entwurfs in Anspruch nahm, erst am 10. März 1947 zu seiner zweiten Sitzung
zusammenkommen, also volle vier Monate nach seiner Konstituierung. Daher verpaßte
Franz Gog keine Sitzung des Ausschusses, wohl aber drei Sitzungen der Landesver-

50 Brief von Lorenz Bock, Rottweil, 23. September 1946, an Ministerialrat Gebhard Müller, Landesdirektion
der Justiz, Tübingen, in NGM, D 37.

51 Vgl. Protokoll der Sitzung (wie Anm. 46).

52 Professor Dr. jur. Dr. h. c. Niethammer (1869-1956), in Stuttgart geboren, war zunächst nach
dem Studium in Tübingen im württembergischen Justizdienst tätig, dann Richter und ab 1921
zunächst als Reichsanwalt, seit 1930 als Reichsgerichtsrat beim Reichsgericht in Leipzig. Nach der
Zurruhesetzung im Jahr 1937 war er mit der Arbeit an zahlreichen Schriften zu Rechtsfragen und
Gesetzekommentaren beschäftigt. 1944 erhielt er in Tübingen die Vertretung einer Professur für
Strafrecht und Strafprozeßrecht, 1946 erfolgte die Ernennung zum Honorarprofessor. 1946/47 war
der alte Herr, dem es freilich an Energie ebensowenig mangelte wie an Durchsetzungsfähigkeit, für
die CDU Abgeordneter in der Beratenden Landesversammlung, die er, wie auch den württemberg-
hohenzollerischen Landtag, als Alterspräsident eröffnete. Sein Abgeordnetenmandat gab er zurück,
nachdem er im Herbst 1947 als Nachfolger des verstorbenene Eugen Boeckmann zum Präsidenten
des Oberlandesgerichts Tübingen und zum Präsidenten des württemberg-hohenzollerischen Staatsgerichtshofes
ernannt worden war. 1950 trat er endgültig in den Ruhestand. Vgl. über Niethammer
Klaus Schule: Der Staatsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof von Württemberg-Hohen-
zollern. Zur Geschichte der Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit des Landes Württem-
berg-Hohenzollern (Reihe Rechtswissenschaft 144). 1993, S. 22-28 und 68 ff., sowie die Artikel
über ihn von Eduard Kern in Süddeutsche Juristenzeitung 1949, Sp. 441 ff. und von Hermann
Weinkauff in Juristenzeitung 1956, S. 230. Ein Artikel über ihn von Frank Raberg wird im
4. Band der Baden-Württembergischen Biographien (Stuttgart) sowie in NDB Band 19 erscheinen.

53 Erstmals darauf hingewiesen hat nüske (wie Anm. 14), S. 248.

54 Ebd., S. 248, sowie Schule S. 22. Vgl. außerdem die knappe, zusammenfassende Darstellung
von Robert Scheyhing: Die Entwürfe der Verfassung des ehemaligen Landes Württemberg-
Hohenzollern vom 20.5.1947, in: Baden-Württembergisches Verwaltungsblatt, 4. Jahrgang (1959),
Heft 5, S. 65-68. Die Entwürfe befinden sich im StAS Wü 1, Nr. la.

55 Scheyhing (wie Anm. 54), S. 67.

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