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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1996/0258
Frank Raberg

hat, um die Arbeit zügig voranzutreiben. Es mag auch sein, daß die bequeme Mehrheit,
die sie in der Landesversammlung und im Ausschuß besaß, in gewisser Weise lähmend
wirkte. In dieser zweiten Sitzung des Ausschusses wurde lange darüber diskutiert, ob der
vorliegende Entwurf nun als Vorlage der stärksten Fraktion oder des Ausschusses anzusehen
ist. Letztere Anschauung vertrat Viktor Renner, der betonte, Bock sei ja vom gesamten
Ausschuß mit der Ausarbeitung des Entwurfs beauftragt worden. Andererseits
war die SPD in der mißlichen Lage, nun selbst keinen Entwurf vorgelegt zu haben, obwohl
sie in Carlo Schmid einen anerkannten Fachmann in Verfassungsfragen besaß und
dieser an der Spitze der (provisorischen) württemberg-hohenzollerischen Regierung
stand. Ein diesbezüglicher Vorschlag war in der ersten Sitzung aber gar nicht erst gemacht
worden. Nun hatte die CDU Fakten geschaffen, ein Entwurf lag auf dem Tisch.
Gog wies später als Berichterstatter eigens darauf hin, daß die lange Zeitspanne bis zur
Vorlage des Entwurfs Bock-Niethammer darauf zurückzuführen sei, daß die Regierung
keinen solchen vorgelegt und daher die zeitraubende Ausarbeitung eines neuen notwendig
gemacht habe.63 Diese Feststellung verdient angesichts der Tatsache, daß ein Regierungsentwurf
fraglos von Carlo Schmid in enger Anlehnung an seinen Verfassungsentwurf
für Württemberg-Baden formuliert worden wäre, nur insofern Beachtung, als es
der CDU offenkundig darum ging, mit allen Mitteln ihr Vorgehen zu rechtfertigen und
den tatsächlichen Gang der Ereignisse zu schönen: ein solcher Regierungsentwurf wäre
von ihr keinesfalls als Grundlage der Beratungen akzeptiert worden, zumal sie diesbezüglich
durch ihren längst eindeutig artikulierten Willen nach einem eigenen Entwurf
den weiteren Fortgang der Verfassungsarbeit in ihrem Sinne präjudiziert hatte.

Der Konflikt zwischen der CDU auf der einen Seite und den SPD, DVP und KPD auf
der anderen Seite schwelte vor sich hin. Grundsätzlich behagte den »Oppositionsparteien
« im Ausschuß vor allem die im Entwurf festgeschriebene starke Stellung des Staatspräsidenten
nicht, der quasi-diktatorische Vollmachten genoß; auch das Institut eines Senats
als zweite Kammer stieß auf Widerspruch, ebenso wie die Konfessionsschule als einzige
Schulform. Am 17. März 1947 trat der Verfassungs-Ausschuß erneut zusammen,
doch wieder ohne eigentliche Fortschritte. Nun kam - völlig unerwartet - ein Movens
von Seiten der Militärregierung in Tübingen. Diese änderte ihre Haltung in Sachen Verfassungsarbeit
im März 1947 und verlangte die Vorlage eines Entwurfs binnen einer Woche
bis zum 22. März. Zwar wurden die Mitglieder des Ausschusses durch diese veränderte
Lage in ihrem Arbeitseifer durchaus angestachelt, jedoch entwickelte sich immer
noch keine Bereitschaft zum Kompromiß. Im Gegenteil: die Atmosphäre war durch das
Beharren der CDU auf »ihrem« Entwurf ebenso vergiftet wie durch die überaus heftige
Agitation vornehmlich der SPD. In einem von den Abgeordneten Fritz Erler
(1913-1967) und Dieter Roser (1911-1975) zusammengestellten und formulierten Referentenmaterial
hieß es u. a.: »Der Entwurf der CDU trägt als ganzes das Gesicht der Partei
, die ihn geschaffen hat: autoritäre Diktatur, Schutz des Kapitals und des Großgrundbesitzes
, Mißbrauch der Religion, Klerikalismus, Unterdrückung der geistigen Freiheit!
Diese Verfassung reißt der CDU die Maske vom Gesicht, fetzt wissen wir, wie die CDU
in Wirklichkeit ist«.M Bei der folgenden Ausschuß-Sitzung am 18. März - die mit wenigen
Unterbrechungen bis zum 20. März andauerte65 - zogen sich die Vertreter der SPD
demonstrativ aus der Ausschußarbeit zurück, nachdem sich CDU und DVP hinsichtlich
des Art. 12 im Entwurf Bock-Niethammer (später Art. 15 der Landesverfassung), der das
Eigentumsrecht regelte, geeinigt und den Antrag der SPD, hier den entsprechenden Arti-

63 Gog in der 10. Sitzung der VBLWH (wie Anm. 47), S. 3.

64 Hartmut Soell: Fritz Erler - Eine politische Biographie. Band I. 1976. S. 101.

65 Protokoll der dreitägigen Sitzung (18.-20. März 1947) im St AS,Wü 1/28, S. 1-111.

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