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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1996/0260
Frank Raberg

Gogs wurde abgewiesen. Ebenso erging es ihm mit seinem Versuch, einen eigenen Artikel
64a einzubringen, der folgenden Wortlaut hatte: Die Prüfung der Verfassungsmäßigkeiten
einer Rechtsvorschrift darf sich nicht nur auf die Vereinbarkeit mit dem Sinn und
Zweck der einzelnen Verfassungsbestimmungen beschränken, vielmehr ist auch zu untersuchen
, ob die der Nachprüfung unterliegende Rechtsvorschrift mit dem christlichen Sittengesetz
übereinstimmt, auf welchem die Verfassung beruht. Damit zeigte er sich päpstlicher
als der Papst, will sagen, das ging selbst den »Verfassungsvätern« zu weit. Obwohl
Bock und Niethammer dem grundsätzlich nicht widersprechen wollten, hielten sie es für
nicht zweckmäßig, einen solchen Passus einzufügen. Gog konnte noch zwei Abgeordnete
für seinen Vorschlag gewinnen, unterlag bei der Abstimmung aber dennoch mit 8 zu
3 Stimmen.

Innerhalb der CDU-Fraktion zumindest nicht unumstritten war die Institution eines
Staatsrats, wie sie im Entwurf vorgesehen war (Art. 53). Gog war mit dem Entwurf auch
hier offenkundig nicht glücklich und beantragte die Verschiebung dieses Punktes auf
später. Bedenken bestanden vor allem gegen die Errichtung eines zwei-Kammer-Systems
und die Berufung der Staatsrats-Mitglieder durch den ohnehin mit weitgehenden Vollmachten
ausgestatteten Regierungschef. Das könne er nicht verantworten, ließ Gog wissen
und meinte weiter, daß ein Staatsrat, dessen Mitglieder von einem in die Kritik geratenen
Staatspräsidenten berufen worden seien, diesen ja stütze, was eine Gefahr für die Demokratie
bedeute: Dann haben wir hier ein Bollwerk, das nicht überschritten werden
kann. Er hatte ohnehin eine ganz andere Vorstellung von der Zusammensetzung des
Staatsrates. Diese sollte nach dem berufsständischen Prinzip erfolgen und sich u.a. aus
dem Rektor der Universität Tübingen, den Präsidenten des Oberlandes- und des Verwaltungsgerichts
sowie der Ärzte- und der Industrie- und Handelskammer zusammensetzen
, außerdem aus Vertretern von Handel und Gewerbe, Landwirtschaft, Unternehmertum
und Arbeiterschaft. Auf diese Weise, so Gog, sei eine breite Repräsentation der
Gesellschaft des neuen Staates sichergestellt, die jeder Willkür des Staatspräsidenten entzogen
wäre.

Es fällt auf, daß Gog seine Bedenken gegenüber der überaus starken, quasi-diktatori-
schen Position des Staatspräsidenten erst vor dem Hintergrund der Beratung des Staatsrates
artikulierte. Hier kam unbestreitbar ein Unwohlsein Gogs im Hinblick auf die »autoritative
Stellung« des Staatspräsidenten zum Vorschein, die er nun mit seinen Vorschlägen
zum Staatsrat etwas einschränken wollte. Niethammer verwahrte sich dagegen, daß
die Verfassung dem Regierungschef überhaupt die Möglichkeit zu Willkürakten lasse,
und setzte durch, daß Gogs Gegenvorschlag erneut niedergestimmt wurde.

Zuletzt wurde über die Verfassungs-Präambel diskutiert. Im Entwurf hieß es: Nach
dem Sturz einer gottlosen Gewaltherrschaft, die Deutschland in Not und Schande geführt
hat, gibt das Volk von Württemberg-Hohenzollern sich im Aufblick zu Gott, dem allmächtigen
Schöpfer, folgende Verfassung. Diese Formulierung wies Gog zu wenig auf das
christliche Sittengesetz hin, von dem die Verfassung doch getragen sei, und sie betone
auch zu wenig die Ableitung aller staatlichen Gewalt von Gott. Mit dieser Kritik drang er
nun durch und formulierte gemeinsam mit Niethammer einen neuen Text folgenden
Wortlauts: Angesichts der ernsten Lehre über die Gottentfremdung gibt das Volk von
Württemberg-Hohenzollern sich im Gehorsam gegen Gott, der den Menschen seinen
Willen in Christus offenbart hat, und im Vertrauen auf Gott, den allmächtigen Schöpfer
und Erhalter, den allein gerechten Richter, folgende Verfassung. Daß eine solche Präambel
für die anderen Parteien der Landesversammlung keinesfalls konsensfähig war,
scheint sich niemand in der CDU, auch Gog nicht, vor Augen geführt zu haben. Aber es
wird sich auch niemand vorgestellt haben, daß die französische Militärregierung in Tübingen
den nun noch fristgemäß vorgelegten Verfassungsentwurf zurückweisen könnte.
Und doch geschah genau dieses am 24. März 1947 mit dem Hinweis, daß der Aufbau der

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