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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1996/0267
Franz Gog

als Vertreter seiner Partei, als Landtagsabgeordneter, von den Auswirkungen im persönlichen
Bereich gar nicht zu reden -, soll im folgenden nachgegangen werden, weil sie dazu
angetan sind, schlaglichtartig die politische Stimmung im französisch besetzen Würt-
temberg-Hohenzollern widerzuspiegeln - und aufzuzeigen, wie leicht man damals, auch
(und gerade ?) als Richter, in die Mühlen der Justiz geraten konnte.

Gogs Suspension ist eng verknüpft mit dem Fall des früheren langjährigen Landrats
von Hechingen, Paul Schraermeyer87, der im Hauptverfahren vor der II. Strafkammer
des Landgerichts Hechingen verhandelt wurde. Dem Alt-Landrat, dessen Nachfolger im
Mai/Juni 1945 für wenige Monate Clemens Moser gewesen war, ehe nach Dr. Peter Re-
mark (Juni 1945 bis August 1946) Dr. Hans Speidel88 an die Spitze des Landratsamtes
Hechingen trat, wurde zur Last gelegt, an der Deportation von Hechinger Juden aktiv
mitgewirkt und sich überdies an deren Vermögen bereichert zu haben.89 Die unter gleicher
Anklage gestandene Hechinger Fürsorgeschwester Maria Hodler war bereits verurteilt
worden. Mitte Mai 1947 beklagte sich Justizamtmann Traber bei Gebhard Müller
darüber, was Schraermeyer nun widerfahre, habe mit dem Recht nichts mehr zu tun, der
Beklagte sei geradezu ein Wohltäter der Juden gewesen90, und ob Müller sich nicht für
Schraermeyer einsetzen könne. Dieser reagierte darauf91 recht gereizt. Es sei verhältnismäßig
billig, nun über »die Justiz« herzuziehen; er müsse es nach wie vor ablehnen, in die
Sache einzugriefen ... Was ich will, ist lediglich eine eindeutige Klärung der rechtlichen
und tatsächlichen Fragen, un zwar nur durch die dazu berufenen gerichtlichen Instanzen
ohne jeden Druck und Einflußnahme. Auf der einen Seite stehen die Juden, die durch
Herrn Schraermeyers Mithilfe in den Tod verfrachtet wurden, jedenfalls aus Heimat und
Hof vertrieben wurden. Auf der anderen Setie die Behauptung, daß der Mann, der hier
mitgewirkt habe, ihr bester Freund war. Sind Sie nicht etwas inkonsequent, wenn Sie heute
die Justiz an das natürliche und göttliche Recht erinnern und unbeugsame Haltung in
der Wahrung derselben fordern? Hätten Sie nicht hinzufügen müssen, dass auch für
Herrn Schraermeyer damals, als der Elendszug von ihm zusammengestellt und »in humaner
Weise« ausgeraubt wurde, die Verpflichtung als Christ, als Mensch, als Jurist
bestanden hätte, die Mitwirkung abzulehnen, komme was da wolle. Diese Pflicht heute

87 Schraermeyer (1884-1955) war Oberamtmann bzw. Landrat von Hechingen 1924-1945 und
1929-1933 als Mitglied der Zentrumspartei Abgeordneter im Hohenzollerischen Kommunallandtag
gewesen. Ende Juni 1947 wurde er vom Landgericht Hechingen wegen Verbrechens gegen die
Menschlichkeit zu 27 Monaten Haft verurteilt. Da dieses Urteil bereits im Januar 1948 vom OLG
Tübingen aufgehoben und Schraermeyer im August 1948 vom Landgericht Tübingen freigesprochen
wurde, mußte er nur wenige Monate in Haft verbringen. Er war danach noch einige Jahre als
Vorsitzender einer Kammer beim Reutlinger Versorgungsgericht tätig. Vgl. Andreas Zekorn:
Oberamtmänner und Landräte im Gebiet des heutigen Zollernalbkreises 1806-1992, in: Zollernalb-
Profile. 20 Jahre Zollernalbkreis - ein Geburtstag (1973-1993). Jahrb uch des Kreises, Band 3. 1993,
S. 27-70, hier S. 57/58.

88 Nicht zu verwechseln mit dem General (1897-1985) gleichen Namens. Landrat Dr. jur. Hans
Speidel (1900-1984), der dieses Amt von 1946 bis 1996 ausübte, war von Haus aus Rechtsanwalt und
Notar. Vgl. Zekorn (wie Anra. 87), S. 59. Speidels Erinnerungen »Der Landkreis Hechingen
1945-1955« wurden in derZHG 21 (1985), S. 243-284, veröffentlicht.

89 Unterlagen zum Verfahren gegen Schraermeyer, so u. a. der Briefwechsel zwischen dem sich für
diesen stark einsetzenden Hechinger Justizamtmann Anton Traber, der wenige Wochen später zum
Staaskommissar für die politische Säuberung des Landes Württemberg-Hohenzollern ernannt wurde
, und Ministerialdirektor Gebhard Müller im NGM, D 40.

90 Ebd., Schreiben Traber, Hechingen, 16. Mai 1947, an Gebhard Müller, Landesdirektion der
Justiz, Tübingen.

91 Ebd., Schreiben Gebhard Müllers, Landesdirektion der Justiz, Tübingen, 18. Mai 1947, an Justizamtmann
Anton Traber.

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