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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1996/0268
Frank Raberg

jedenfalls zu statuieren, scheint mir nicht ohne entscheidende Zukunftsbedeutung zu sein
... Mögen die Gerichte seihst entscheiden.

Der maßgebliche Leiter der Amtsgeschäfte in der Landesdirektion der Justiz bzw.
später im Justizministerium92 in Tübingen war demnach eindeutig gegen Schraermeyer
eingestellt, dessen Verfahren zum Politikum werden sollte. Für den Alt-Landrat setzten
sich zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ein93, und in der ersten Juni-
Woche 1947 bekam die Landesdirektion der Justiz sogar ein Schraermeyer vollständig
entlastendes Rechtsgutachten zugestellt, das niemand anders verfaßt hatte als der wohl
renommierteste Strafrechtslehrer Deutschlands, der ehemalige SPD-Reichtagsabgeordnete
und Reichsjustizminister Gustav Radbruch.94

Vor diesem Hintergrund begann am 6. Juni 1947 das Hauptverfahren gegen Schraermeyer
in Hechingen, wobei der Präsident des Landgerichts, Alexander von Normann,
als Vorsitzender und Gog neben einem Amtsgerichtsrat als beisitzender Richter fungierten
.95 Am Rande dieser ersten Sitzung scheint es zu Vorgängen gekommen zu sein, die
vier Tage später die beiden führenden Offiziere der Justizabteilung der französischen
Militärregierung in Tübingen veranlaßten, die Unterbrechung des Verfahrens gegen
Schraermeyer, die Ersetzung Gogs durch einen anderen Richter sowie die Ingangsetzung
eines Verfahrens wegen Rechtsbeugung gegen letzteren von Gebhard Müller zu fordern
.96 £5 sei untragbar, daß ein Richter, der nicht unparteiisch sei, weiterhin an dem Verfahren
mitwirkte. Im einzelnen beanstandeten die Offiziere, Gog habe sich am Rande
der Verhandlung im Talar auf dem Gang des Gerichtsgebäudes mit Schraermeyer unterhalten
, ihn aufgemuntert und dessen Verteidiger Schellhorn zugerufen, die Verteidigung
sollte nur ja den Präsidenten des Gerichts nicht stutzig machen, es sei ja bekannt, daß er
(Gog) das Beste für Schraermeyer wolle.

Gebhard Müller erkundigte sich umgehend97 bei Professor Niethammer, der ihm mitteilte
, Gog sei weder kraft Gesetzes ausgeschlossen, noch könne er nach Beginn der
Hauptverhandlung als Richter abgelehnt werden. Dagegen besteht nach der Rechtsprechung
des Reichsgerichts die Möglichkeit, daß er sich selbst wegen Besorgnis der Befan-

92 Staatspräsident Lorenz Bock, gewählt in der Landtagssitzung vom 8. Juli 1947, berief am 22. Juli
sein Kabinett, das vor dem Landtagsplenum vereidigt wurde. Seitdem ist von Ministerien und nicht
mehr von Landesdirektionen zu sprechen. Justizminister und stellvertretender Staatspräsident war
Carlo Schmid; Ministerialdirektor Gebhard Müller führte weiterhin faktisch die Geschäfte der
Justizverwaltung.

93 So etwa Staatssekretär Clemens Moser in einem neunseitigen Schreiben vom 25. Mai 1947 an
Schraermeyers Verteidiger Dr. Paul Schellhorn, in dem er sich geradezu leidenschaftlich für seinen
Vorgänger einsetzte. Vgl. NGM, B 2/37.

94 Rechtsgutachten zum Verfahren gegen Paul Schraermeyer von Gustav Radbruch, Heidelberg,
4. Juni 1947. Vgl. NGM, D 40.

95 Urteil (Geschäftszeichen X 3/47) der Dienststrafkammer des Landgerichts Tübingen in der
Dienststrafsache Franz Gog vom 15. Juli 1948, in PFG, hier S. 2. - Alexander von Normann
(1893-1983), der seit Renners Wechsel an die Spitze der Landesinnenverwaltung die Aufgaben des
Landgerichtspräsidenten von Hechingen versah, ohne diesen Titel zu erhalten (Normann war Landgerichtsdirektor
), war Gogs Dienstvorgesetzter im Landgerichtsbezirk. Im Oktober 1950 wurde
von Normann, der aus Ostpreußen stammte, zum Bundesrichter am Bundesgerichtshof berufen. Im
4. Band der Baden-Württembergischen Biographien (Stuttgart) wird ein Artikel von Frank Raberg
über ihn erscheinen.

96 Auszug aus der Aktennotiz Gebhard Müllers über sein Gespräch mit Commandant Jean Zehler
und Capitaine Jean Ebert am 10. Juni 1947, in PFG. Die vollständigen Aktennotizen über Müllers
regelmäßig (mindestens einmal pro Woche) stattfindenden Gespräche mit diesen Offizieren (zumeist
aber nur mit Ebert) im NGM, 140. Vgl. auch Raberg (wie Anm. 14), 5. Kapitel, Teil B.

97 Dies ergibt sich aus der umfangreichen Aktennotiz, die Müller dem Auszug (wie Anm. 96) folgen
ließ, ebenfalls im PFG.

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