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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1996/0282
Frank Raberg

quenten Zentralismus ein, so wie es die Praxis voraussehen läßt, und schafft damit alle
Voraussetzungen zur Unterhöhlung des geringen Teils der den Ländern verbleibenden
Rechte und Zuständigkeiten. Er nannte die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes,
die Finanzverfassung und die eingeschränkte Stellung des Bundesrates als Beispiel für die
seiner Ansicht nach vorliegende Gefahr des Zentralismus, die Gefahr des Totalitarismus.
Die Männer von Bonn hätten, so fuhr Gog angriffslustig fort, wiederum aus der traurigen
Vergangenheit der letzten fahre nichts gelernt, indem sie ein Instrument gebaut
haben, das mir dazu geeignet scheint, den Bund und damit Deutschland in die gleichen
oder noch unglücklichere Verhältnisse zuführen, aus denen wir gerade herkommen. Heftigere
Worte sind auch bei der Sitzung des bayerischen Landtages, der in seiner Mehrheit
den Grundgesetzentwurf nicht angenommen hatte, nicht gefallen. Abschließend gab sich
Gog daher als Sprecher einer Gruppe innerhalb der CDU-Fraktion zu erkennen, die auf
dem Standpunkt stehe, daß für uns der Gewissenskonflikt in der augenblicklichen Situation
, in dem durch die Entscheidungen der verschiedenen deutschen Länder die Entscheidung
über die Annahme des Grundgesetzes schon gefallen ist, nicht lösbar ist. Wir messen
dem Ja zum Bundesstaat so großes Gewicht bei wie dem Nein zu den Verfassungsbestimmungen
. Wir verweigern deswegen die Abstimmung.

Die Gespaltenheit der CDU-Fraktion kam auch durch den Redebeitrag des Abgeordneten
Thomas Schwarz (1903-1974) zum Ausdruck, der mit den gleichen Argumenten,
mit denen Gog die Abstimmungsverweigerung vertreten hatte, die Ablehnung des
Grundgesetzes ankündigte. Mit Gog verweigerten letztlich sieben weitere Abgeordnete
der CDU (Dreher, Ganser, Gsell, Lieb, Ott, Pfender, Dr. Sauer) die Stimmabgabe,
während 14 (!) Unionsabgeordnete um Schwarz mit Nein stimmten (Bauknecht, Göttler,
Hartmann, Hermann, Dr. Krezdorn, Leibinger, Lutz, Maucher, Mayer, Reiner, Schinle,
Schmid-Ellhofen, Schneider, Schwarz). Außerdem stimmten die beiden KPD-Abgeordneten
ebenfalls mit Nein. Ein CDU-Abgeordneter (Anton Kramer) enthielt sich der
Stimme. So bleibt festzuhalten, daß das Grundgesetz im Landtag von Württemberg-Ho-
henzollern nur 34 von 59 abgegebenen Stimmen erhielt, also nur eine sehr knappe absolute
Mehrheit153 - eine Tatsache, die in den beiden anderen südwestdeutschen Ländern
keine Entsprechung fand. Von der 34köpfigen CDU-Fraktion sagten nur sieben Mitglieder
Ja zur provisorischen Verfassung des neuen deutschen Weststaates, und unter diesen
sieben war keiner der drei hohenzollerischen CDU-Abgeordneten.

Um beim Thema der Gründung der Bundesrepublik Deutschland zu verweilen: Zur
Wahl für den 1. Deutschen Bundestag wurde im Bundestagswahlkreis Balingen-Münsin-
gen-Hechingen-Sigmaringen Landwirtschaftsminister Weiß aufgestellt, der als einziges
Mitglied der württemberg-hohenzollerischen Staatsregierung nicht dem Landtag angehörte
, aber sowohl in der CDU als auch bei den Landwirten im Oberland großen
Rückhalt hatte. Ob Gog daran dachte, eventuell selbst für ein Abgeordnetenmandat in
Bonn zu kandidieren, ist aufgrund fehlender Aufzeichnungen nicht zu klären. Angesichts
seiner herausgehobenen und einflußreichen Position in Bebenhausen, die er sich
bei Annahme eines Bundestagsmandats ungeschmälert gewiß nicht hätte erhalten können
, ist es aber eher unwahrscheinlich, daß er jemals mit einem solchen Gedanken ernsthaft
gespielt hat.134 Bei der Bundestagswahl am 14. August 1948 wurde Weiß in den Bun-

153 Zum Vergleich: der Landtag des Landes (Süd-)Baden in Freiburg stimmte dem Grundgesetz
am 18. Mai 1949 mit 49 zu 2 ablehnenden Stimmen der KPD zu, der Landtag des Landes Württemberg
-Baden in Stuttgart mit 80 zu 10 ablehnenden Stimmen der KPD.

154 Sein Landtagsmandat hätte Gog allerdings, wäre als Kandidat angetreten und gewählt worden,
nicht verloren. So wurden in den 1. Bundestag die CDU-Landtagsfraktionsmitglieder Bauknecht,
Gengier, Pfender und Schuler gewählt, von denen aber nur letzterer sein Landtagsmandat nach der
Wahl zurückgab. Auch Carlo Schmid war Angehöriger von Bundestag und Landtag, während die
große Leitfigur der württemberg-hohenzollerischen Liberalen, Wirtschaftsminister Eberhard Wil-

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