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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1996/0296
Frank Raberg

den Bundestag delegieren müssen, wie es GG Art. 118 vorsah. Die Landesverfassung hatte
die Legislaturperiode von vier Jahren festgelegt (Art. 25 Abs. 2); eine Verlängerung
wäre also verfassungswidrig gewesen. Man ging also davon aus, daß ein neuer Landtag
noch gewählt werden müsse, obwohl dieser nach allem Ermessen nur eine kurze Legislaturperiode
haben würde. Denn daß die Bildung des Südweststaates bevorstand, war sicher
; nur wann, war unklar. So wurde im Innenministerium an die Erarbeitung eines neuen
Wahlgesetzes gegangen, daß am 30. Januar 1951 dem Landtag vorgelegt und zusammen
mit einem Initiativ-Gesetzentwurf zur Änderung der Rechtsanordnung über die
erste Landtagswahl (von 1947) beraten wurde.183 Nach einführenden und erläuternden
Worten des Innenministers, die das ganze Dilemma beschrieben, indem er darauf hinwies
, man müsse das Wahlgesetz jetzt beraten, obwohl es vielleicht nie zur Anwendung
kommen werde, drückte auch Gog namens der CDU sein Unbehagen aus, nutzte aber
die Gelegenheit, um sogleich eine gründliche Revision des Wahlrechts weg vom reinen
Verhältniswahl- zum Mehrheitswahlrecht zu fordern. Denn die Wahlrechtsgrundsätze
von 1947 könnten angesichts wesentlicher Veränderungen in den zurückliegenden vier
Jahren jetzt nicht mehr ertragen werden. Er sprach sich dafür aus, auch für eine eventuell
kurze Legislaturperiode jetzt eine grundsätzliche Lösung zu finden. Oskar Kalbfell
(SPD) war anderer Ansicht; die Südweststaatbildung müsse schnellstens erfolgen, der
Bund rasch handeln; Dichtel habe in Südbaden der Hinausschiebung des Wahltermins
unter diesen Umständen bereits zugestimmt. Man könne das Volk nicht mehrfach und
überflüssigerweise an die Wahlurnen bitten. Thomas Schwarz (CDU) bemängelte die
Vorschrift des §11, daß Polizisten und Landräte als einzige Beamte nicht dem Parlament
angehören dürften. Innenminister Renner äußerte den Verdacht, die CDU strebe eine
Landtagswahl an, um nach einigen verheerenden Verlusten in verschiedenen Ländern -
so im November 1950 in Württemberg-Baden - wieder ein glänzendes Wahlergebnis
präsentieren zu können, und rückte dieses Ziel der Union in die Nähe der Lippe-Wahl,
bei der seinerzeit die Nationalsozialisten nach einigen Wahlschlappen alle Kräfte mobilisiert
und wieder ein sehr gutes Ergebnis eingefahren hatten. Er nahm explizit Gog aufs
Korn, meinte, es könnte ja sein, daß dieser gar nicht mehr gewählt würde, und stritt alle
Bemängelungen Gogs, der zum Beispiel eine Aushöhlung des Persönlichkeitswahlsystems
befürchtete, in vollem Umfang ab.

Am folgenden Tag trat man in die zweite Beratung ein.184 Eduard Leuze stellte fest,
daß diese Beratung eine reine Formalität sei, da die CDU-Fraktion der DVP zugesichert
habe, ihre Vorschläge zu prüfen, und die weitere Beratung vor dieser Prüfung eigentlich
sinnlos sei. Da mit Mehrheit für die Beratung gestimmt wurde, verließen KPD, DVP (bis
auf einen Abgeordneten) und SPD (bis auf einen Abgeordneten) den Plenarsaal. Dennoch
trat das beschlußfähige Parlament (dessen Beschlußfähigkeit in einem hitzigen
Wortwechsel zwischen den Abgeordneten Kinkelin (DVP) und Dr. Metzger (SPD) und
dem Landtagspräsidenten Gengier »debattiert« wurde) in die zweite Beratung ein, an deren
Ende Gog die Zusage an die DVP als unverbindlich bezeichnete und Gengier bat,
möglichst bald in die dritte Beratung einzutreten, die eine Woche später stattfand.185 Vor
der Schlußabstimmung meldete sich Viktor Renner in seiner Eigenschaft als Abgeordneter
der SPD und kündigte an, seine Fraktion werde dem Gesetz ihre Zustimmung nicht
erteilen, weil es sowohl gegen Art. 22 der Landesverfassung als auch gegen Art. 2 verstoße
. Das neue Wahlgesetz lasse gleiche Wahlen aufgrund der Verrechnung von Restund
Überschußstimmen nicht mehr zu und begünstige einseitig die CDU. Auch Eduard
Leuze und Wilfried Acker bezeichneten es als undemokratisch. Dies konnte man mit

183 VLWH, 100. Sitzung, 30. Januar 1951, S. 1984-1991, Gogs Rede S 1985-1986.

184 VLWH, 101. Sitzung, 31. Januar 1951, S. 2000-2004.

185 VLWH, 102. Sitzung, 7. Februar 1951, S. 2006-2013.

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