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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0023
Tirol in Schwaben

und gar die Nächte verbracht und sich darüberhinaus teilweise ehelich versprochen zu haben.
Zur Strafe werden die muettwilligen menschen, bei denen mangels Vermögen keine Geldbuße
einzutreiben ist, in der sogenannten Geigen auf öffentlichem Markt zur Schau gestellt; zwei
der Frauen, die aus benachbarten Herrschaften stammen, werden des Landes verwiesen, die
beiden Einheimischen müssen hoch und heilig versprechen, in Zukunft derartige Leichtfertigkeiten
zu unterlassen22.

Zum anderen kehrt ein nicht geringer Teil der während des Krieges in die Fremde geflüchteten
Ortsbewohner und in gleichem Maße auch der einheimischen Soldaten mit auswärtigen
Ehepartnern noch während oder nach dem Krieg in die alte Heimat zurück. Durch Rückkehraufforderungen
bis hin zu Strafandrohungen versuchen zahlreiche Territorialherrschaften die
Flüchtlinge zur Heimkehr in die alte Heimat zu bewegen23. Zum dritten schließlich strömen
im Gefolge der Rückwanderer und zum Teil wohl von ihnen unmittelbar nachgezogen24 bereits
seit dem letzten Kriegsjahrzehnt und in noch größerer Zahl seit der Mitte der 1650er Jahre
Zuwanderer vor allem aus der Schweiz, Osterreich und Bayern auch in die entvölkerten
Städte und Dörfer an der Oberen Donau. Zumal die Alpenländer waren vom Krieg nur wenig
in Mitleidenschaft gezogen worden und litten in der Mitte des 17. Jahrhunderts vielfach an
Übervölkerung25. Über die erhaltenen Kirchenbücher, namentlich die Eheregister, sowie die
herrschaftlichen Amtsprotokolle und Renteirechnungen, die die Bürger- und Hintersassenaufnahmen
samt den damit einhergehenden Bürgergeld- und Einzugszahlungen dokumentieren
, lassen sich für die meisten Ortschaften der hohenzollerischen Grafschaften Sigmaringen
und Veringen sowie der angrenzenden Territorien Dutzende von Zuzüglern nachweisen. In
Bingen beispielsweise wird bei insgesamt 145 im Ehebuch aufgeführten Heiraten zwischen
1655 und 1680 statistisch gesehen mehr als jede zweite Ehe mit einem Partner von außerhalb
der drei Pfarrorte geschlossen. 26 der insgesamt zu ermittelnden 74 auswärtigen Hochzeitspartner
stammen freilich aus der näheren Nachbarschaft und 13 aus dem weiteren Südwestdeutschland
; immerhin 19 der in der Binger Pfarrkirche Getrauten kommen indessen aus der
Schweiz, vier aus Österreich und zwölf aus anderen, vielfach nicht näher lokalisierbaren auswärtigen
Gebieten, darunter jeweils einmal Bayern, Böhmen und das Elsaß. Weitere 16 Zuwanderer
, darunter acht Personen aus der Schweiz, zwei aus Österreich und jeweils eine aus
Bayern und dem Welschland, lassen sich über das Totenregister von 1661 bis 1696 belegen und
nochmals zwölf Zuzügler, darunter wiederum vier Nennungen aus der Schweiz und zwei von
Österreich, über die Taufregister-Einträge von 1659 bis 166 526.

Ein ganz ähnliches Bild ergibt sich in Veringenstadt, dessen Personenstandseintragungen
trotz der Filialzuordnung zur Pfarrei Veringendorf seit der Mitte des 17. Jahrhunderts in einem
eigenen Kirchenbuch erfaßt sind. Hier stehen insgesamt 65 Eheschließungen von 1665
bis 1682 35 auswärtige Ehepartner gegenüber, von denen wiederum 19 aus der näheren Nachbarschaft
bis hin nach Gammertingen und Riedlingen stammen, fünf aus dem weiteren Südwestdeutschland
einschließlich dem Allgäu und dem Hoch- beziehungsweise Oberrheingebiet
, drei aus der Schweiz, jeweils zwei aus Österreich und Bayern sowie jeweils einer beziehungsweise
eine aus Leipzig, Prag, Savoien und einem nicht näher lokalisierbaren Ort. Unter

22 Amtsprotokolle der Grafschaft Sigmaringen 1673-1676 (StAS Ho 80 Bd. 2 Paket 227), Eintrag v. 9. 6.
1676,fol.31v.

23 Die Behörden der waldburgischen Grafschaft Friedberg-Scheer beispielsweise befehlen 1648 die
Heimkehr auf Bartholomaei 1651 bei Strafe von 10 Talern, später wird auf Mathaei 1653 ein neuer Termin
gestellt (vgl. F. Haug: Die Einwanderung in die Herrschaft Friedberg-Scheer nach dem Dreißigjährigen
Krieg. In: Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 5. J. (1941), S. 284-301, hier S. 285).

24 Für das Markgräflerland behauptet Franz (wie Anm. 2), S. 73, daß in die Schweiz geflohene Einheimische
hier den Zuzug fremder Zuwanderer eingeleitet haben.

25 Ebd., S. 78.

26 Binger Kirchenbuch 1636-1700 (wie Anm. 6) mit Tauf-, Ehe- und Totenregister.

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