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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0026
Edwin Ernst Weber

Die wenigen bei ihrer Konfession verharrenden Protestanten, die sich - zumeist wohl nur
befristet - in den katholischen Ortschaften an der Oberen Donau nachweisen lassen, stoßen
hier unverkennbar auf massive Ressentiments und Widerstände. In Benzingen hat 1652 Ma-
theüs Falchner von Veringenstadt einem calvinischen Schweizer, wie es im Amtsprotokoll
heißt, Unbeschaidene Reden angehenckht und wird deswegen von der Obrigkeit allerdings
mit einer Geldstrafe belegt und vom Dorfgericht zur Abbitte verurteilt39. In Eningen läuft eine
aus der Nähe von Leipzig stammende Lutheranerin ihrem katholischen Ehemann in den
1650er Jahren unter anderem auch deshalb wiederholt davon, weil der Ortspfarrer starckh wider
die Religion gepredigt hat. Als der Gatte daraufhin ein Verhältnis mit seiner Magd aufnimmt
und diese schwängert, rechtfertigt er sich vor der Obrigkeit, daß ihn dazu zum einen
die Magd selbst angeraizt und zum anderen Sein weib Indeme Ursach ... geben (hat), daß Sie
ime absentiert und Sich der katholischen religion nit undergeben wollen*0. In Krauchenwies
schließlich muß sich 1655 der offenbar protestantische Weber Heinrich Rid von seinem katholischen
Schwager im Familienstreit anhören, daß er ein Lutterischer Kezer sei und sein
Himmelreich bey Martin Luttern in der Holl suechen (miesst)*1.

Die allenthalben festzustellende, primär wirtschaftlich bedingte geringe Seßhaftigkeit vieler
Zuwanderer führt während des Dreißigjährigen Krieges und in den Jahrzehnten danach
mitunter zu einer geradezu modern anmutenden Mobilität. In Sigmaringendorf etwa heiratet
1641 die im eidgenössischen Oberdorf bei Gossau geborene Witwe Dorothea Stuckhlin, deren
Eltern freilich von Ablach bei Krauchenwies stammen, sechs Jahre nach dem Tod ihres ersten
Mannes einen ehemaligen Hausknecht des Klosters St. Gallen und will mit diesem sodann an
einen ungenannten Ort weiterziehen42. Die Kriegswirren und Wanderungsbewegungen
führen auch manche exotische Gestalten in die ländliche Welt und lassen mitunter geradezu
multikulturelle Verhältnisse entstehen. In Bingen beispielsweise hat sich zu Beginn der 1650er
Jahre zeitweise der in spanischen Diensten tätige Obristleutnant Ulrich Azel niedergelassen,
dessen Ehefrau sich freilich während seiner langen kriegsbedingten Abwesenheit mit einem
verheirateten und offenbar wohlhabenden Bauern aus dem Ort einläßt und von diesem sodann
ein Kind erwartet. Um dieses Laster unter, wie es heißt, den gemeinen Leüthen nicht offenbar
werden zu lassen, werden die beiden von der Obrigkeit tacite abgestrafft und mit der
horrenden Geldstrafe von zusammen 150 Gulden belegt43. Der Binger Bauer Peter Heiding
sodann, der möglicherweise mit dem zuletztgenannten Übeltäter identisch ist, ist 1669 mit einer
spanischen Ehefrau verheiratet und beschäftigt als Magd eine zum Katholizismus konvertierte
Schweizerin44.

Die Auswirkungen der Migration lassen sich bis in den katholischen Pfarrerstand hinein
beobachten: Das Protokoll der kirchlichen Visitation im Landkapitel Trochtelfingen aus dem
Jahr 1671 führt unter insgesamt 16 Geistlichen im Dekanat immerhin sechs Seelsorger auf, die
ursprünglich aus der Schweiz oder Österreich stammen und durchgehend an dortigen Universitäten
auch ihre theologischen Studien absolviert haben45. Ihr dienstlicher Wechsel in das
Landkapitel Trochtelfingen, wo sie in den Pfarreien Hausen i. K., Kettenacker, Gammertin-
gen, Salmendingen, Großengstingen und Jungingen tätig sind, hängt vermutlich mit dem

39 Amtsprotokoll der Grafschaft Sigmaringen 1650-1652 (StAS Ho 80 Bd. 2 Paket 225), Eintrag v. 16. 1.
1652, fol. 125v.

40 Ebd. v. 9. 4. 1652, fol. 40rf., u. v. 8. 6. 1652, fol. 66rf.

41 Amtsprotokoll der Grafschaft Sigmaringen 1655-1659 (StAS Ho 80 Bd. 2 Paket 225), Eintrag v. 25. 8.
1655, fol. 44rff.

42 Amtsprotokoll der Grafschaft Sigmaringen 1639-1643 (StAS Ho 80 Bd. 2 Paket 224), Eintrag v. 9. 8.
1641, fol. 260rf.

43 Amtsprotokoll der Grafschaft Sigmaringen 1650-1652 (wie Anm. 39), Eintrag v. 24. 9. 1652, fol. 102r.

44 Binger Gerichtsprotokoll v. 8. 1. 1669 (Protokollband 1664-1674, Gemeindearchiv Bingen I Nr. 186c).

45 Johann Adam Kraus: Aus den Visitationsakten des ehemaligen Kapitels Trochtelfingen 1574-1709.
In: Freiburger Diözesan-Archiv Bd. 73 (1953), S. 145-181, hier S. 176f.

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