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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0030
Edwin Ernst Weber

Zumal die Zuwanderer aus den Alpenländern kommen ganz überwiegend aus Gebieten mit einer
weitentwickelten kommunalen Autonomie und einer ausgeprägten bäuerlichen Widerstandstradition
, die die Migranten in ihrem Erfahrungsschatz gewiß auch in ihre neue Heimat
mitbringen. Sicherlich wäre es verfehlt, die weiteren Untertanenkonflikte an der Oberen Donau
vorrangig auf das aufwiegelnde Wirken rebellischer Zuwanderer oder gar speziell der
Flüchtlinge aus dem blutig niedergeschlagenen großen schweizerischen Bauernkrieg von 1653
zurückzuführen, auch wenn der von den eidgenössenschaften Obrigkeiten zur Fahndung ausgeschriebene
Schreiber der aufständischen Luzerner Bauern, Johann Jakob Müller, in der Folge
für einige Zeit im hohenzollerischen Haigerloch als Schulmeister unterkommt63. Der bäuerliche
Widerstand in Südwestdeutschland und gerade auch an der Oberen Donau hat seine genuine
Tradition, die zumal in den hohenzollerischen und waldburgischen Territorien in die Zeit
vor dem Dreißigjährigen Krieg und damit vor der Zuwanderung zurückreicht. Daß die mit den
Zuwanderern an die Obere Donau gelangende Kenntnis der hochentwickelten Genossenschaftlichkeit
in den Alpenländern dem bäuerlichen Selbstbewußtsein in ihrer neuen Heimat
zusätzliche Impulse verlieh, erscheint indessen durchaus plausibel.

Im Bereich der Leibherrschaft lassen sich die politischen Auswirkungen der Zuwanderung
wenigstens an einem Punkt unmittelbar fassen64. Ein nicht geringer Teil der Zuwanderer gerade
auch aus den eidgenössischen und österreichischen Alpenländern verbindet mit dem Gesuch
um bürgerliche Aufnahme in den hohenzollerischen Untertanenorten die Weigerung,
sich in die fürstliche Leibeigenschaft zu ergeben. In Rulfingen hat sich der aus dem bayerischen
Hohenschwangau stammende Zimmermann Hans Köpf mit der hohenzollerischen
Leibeigenen Maria Waldraff verheiratet und bittet 1653 um bürgerliche Aufnahme, was ihm
auch in Aussicht gestellt wird, sobald er seinen Geburtsbrief vorlegt. Da er sich aber nicht in
die fürstliche Leibeigenschaft ergeben will, hat er über den üblichen Einzug von 10 Gulden
hinaus gewissermaßen als Ablösezahlung weitere 6 Gulden in die herrschaftliche Kasse zu
entrichten65. Im Jahr darauf getrauen sich die obrigkeitlichen Beamten nur vorbehaltlich der
fürstlichen Ratifizierung (wenn es dieser geschehen lasse), den von Damben (Dornbirn?) bei
Bregenz stammenden und mit der einheimischen Anna Sautter verheirateten Maurer Hans
Fluer ohne die von ihm verweigerte Ergebung in die Leibeigenschaft in Langenenslingen als
Bürger anzunehmen.66 Bereits 1650 hatte der Fürst gleichfalls in Langenenslingen der bürgerlichen
Aufnahme des aus Braunschweig stammenden und mit Anna Herbst von Vilsingen verheirateten
Meinolff Vollmar nur mit außtruckhenlicher protestation zugestimmt, daß der gewährte
Verzicht auf die Ergebung in die Leibeigenschaft derselben Ins künfftig nit praeiudi-
cierlich sein solle67.

Im Interesse einer raschen Repeuplierung der unter Bevölkerungsmangel leidenden Untertanenorte
ist in der unmittelbaren Nachkriegszeit die Obrigkeit zum - allerdings unverkennbar
zähneknirschenden - Verzicht auf die Leibherrschaft im individuellen Einzelfall bereit.
Mit dem Wiederanstieg der Einwohnerzahlen wird seit etwa den 1670er Jahren die Ergebung
in die fürstliche Leibeigenschaft alsbald weithin zu einer Bedingung für die bürgerliche Aufnahme
von Zuwanderern im Fürstentum, nur in Ausnahmefällen wird jetzt noch auf dieses
Herrschaftsrecht verzichtet. So wird etwa 1676 dem aus dem damals noch bayerischen Braunau
stammenden Bierbrauer Joseph Vilser die Aufnahme als Untertan in Sigmaringendorf nur

63 Vgl. Gottfried Guggenbühl: Der Schweizerische Bauernkrieg von 1653. Zürich 21953, S. 59.

64 Eine grundlegende Untersuchung zur Geschichte der Leibeigenschaft in Hohenzollern steht bislang
noch aus. Erste Anhaltspunkte bieten Johann Adam Kraus: Von der Leibeigenschaft. In: Hohenzolleri-
sche Heimat 3 (1953), S. 30f., 43-45, sowie Maren Kuhn-Rehfus: Die Leibeigenschaft am Beispiel einer
Manumission und einer Leibeigenschaftsergebung. In: Hohenzollerische Heimat 25 (1975), S. 6-8.

65 Amtsprotokolle der Grafschaft Sigmaringen 1653-1654 (wie Anm. 31), Eintrag v. 4. 3. 1653, fol. 44r.

66 Ebd., Eintrag v. 6. 10. 1654, fol. 142v.

67 Amtsprotokolle der Grafschaft Sigmaringen 1650-1652 (wie Anm. 39), Eintrag v. 27. 9. 1650, fol. 88v.

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