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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0035
»Da Capo!«

davon betroffen. Industrielle Großprojekte, wie Straßen-, Eisenbahn- und Wasserleitungsbau,
stellten allerdings eine neue Dimension dar, insofern hier Wanderarbeiter in größerer Zahl
auftraten und dabei Fremde meist in beträchtlicher Zahl und praktisch unvermittelt in das Leben
der ortsansässigen Bevölkerung der betreffenden Dörfer »einbrachen«. Für die einzelnen
Orte handelte es sich hierbei während der Dauer dieser Bauprojekte fast um eine Art zeitlich
befristeten »Ausnahmezustands«, der allerhand Neues, Fremdes, »Merkwürdiges« in den Alltag
brachte. Schilderungen von Zeitzeugen, Zeitungsberichte über besondere Vorkommnisse
und Ähnliches unterstreichen selbst den Eindruck eines solchen »unerhörten Ereignisses«,
das die heimische Bevölkerung mit dem Einbruch der neuen technischen Welt zu gewärtigen
hatte. Für kurze Zeit tauchten von Ort zu Ort mit Beginn der umfangreichen Bauprojekte die
fremdländischen Arbeiter wie aus einer fremden Welt auf, um in der Regel nach Wochen oder
spätestens Monaten wieder zu verschwinden.

2. ZUR FORSCHUNGS- UND QUELLENLAGE

Wenn die Geschichtsforschung überhaupt Fragen der Arbeitsimmigration im deutschen Kaiserreich
thematisierte, so lag das Augenmerk vorwiegend auf der Einwanderung aus österreichisch
-ungarischen Gebieten und aus Polen, genauer auf polnischen Einwanderern aus
Rußland. Genannt seien hier nur die Stichworte »polnische Landarbeiter« und »Ruhrpolen«.
Es ist sicherlich vor allem das Verdienst der Forschungen und wissenschaftlichen Anstöße
Klaus J. Bades, daß in mehreren Publikationen Aspekte des Themenspektrums »Auswanderung
« und »Einwanderung« aufgearbeitet und vor allem auch auf die bedeutenden Forschungsdefizite
hingewiesen wurde. Doch der hauptsächliche Schwerpunkt auch seiner Forschungen
liegt im wesentlichen neben allgemeinen Überblicksdarstellungen auf der Frage
nach der polnischen Einwanderung ins Kaiserreich und hier speziell in die preußischen Landesteile7
.

Dagegen ist die Geschichte der Immigranten aus anderen europäischen Staaten vor dem
Ersten Weltkrieg verhältnismäßig wenig erforscht und zwangsläufig in ihrer wirtschaftlichen
Bedeutung weitgehend unterschätzt worden8. Dies gilt um so mehr für deren Beitrag zur industriellen
Entwicklung im Süden Deutschlands. Selbst in der Zeit, als die Italiener in den
sechziger Jahren in großer Zahl als »Gastarbeiter« nach Deutschland kamen, blieb eher im
Verborgenen, daß in den drei Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg schon einmal Tausende
von italienischen Immigranten alljährlich nach Deutschland kamen und hier arbeiteten. Dabei
ist jedoch genau diese Aufschwungsphase der sechziger Jahre in der Bundesrepublik vergleichbar
mit eben jener Wachstumsphase von der Mitte der neunziger Jahre des vergangenen
Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg; vergleichbar nicht nur wegen des beispiellosen indu-

7 Stellvertretend für die zahlreichen Arbeiten Bades seien an dieser Stelle nur genannt: Klaus J. Bade:
Auswanderer, Wanderarbeiter, Gastarbeiter. Bevölkerung, Arbeitsmarkt und Wanderung in Deutschland
seit Mitte des 19. Jahrhunderts. 2 Bände Ostfildern 1984; Ders. (Hg.): Deutsche im Ausland - Fremde in
Deutschland. Migration in Geschichte und Gegenwart. München 1992; Ders. (Hg.): Die »Gastarbeiter«
des Kaiserreichs - oder: Vom Auswanderungsland des 19. Jahrhunderts zum »Einwanderungsland Bundesrepublik
«? In: GWU 33 (1982), S. 79-93; Ders.: Homo migrans. Wanderungen aus und nach Deutschland
. Erfahrungen und Fragen. Essen 1994; Ders.: Vom Auswanderungsland zum Einwanderungsland?
Deutschland 1880-1980. Berlin 1983.

8 Die gesamte Dimension und der bedeutende Umfang dieser »Arbeitsimmigration« wurde mir persönlich
erst so recht im Rahmen der Vorbereitungen zu einer Ausstellung bewußt, die 1994 unter dem Titel
»Fremd im Dorf« im Freilichtmuseum Neuhausen ob Eck gezeigt wurde. Daneben motivierte mich noch
ein persönliches Moment zu privaten Forschungen über italienische »Einwanderer«, habe ich doch mütterlicherseits
verwandtschaftliche Verbindungen zu einer italienischen Einwandererfamilie »Biselli«, die
im 18. Jahrhundert aus Italien kommend in Beuron und auf dem südlichen Heuberg seßhaft wurde.

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