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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0044
Walter Knittel

aus den Reihen der Erd- und Bauarbeiter gekommen sein als aus der Gruppe von Arbeiterinnen
oder Arbeitern, die anfänglich alljährlich wieder an dieselbe Arbeitsstelle bei denselben
Arbeitgebern zurückgekehrt waren und sich allmählich in ihrem neuen Umfeld integrierten.
Das Gros der italienischen Wanderarbeiter, vor allem diejenigen, die in Gruppen anreisten und
zusammenarbeiteten, kehrte in ihr Heimatland zurück, wo sie mit dem aus ihrer Tätigkeit in
Deutschland Ersparten nicht selten einen sozialen Aufstieg schafften. Während ihres Aufenthaltes
in der Fremde lebten sie meist in einer Welt für sich, kannten nur ihre heimischen Bräuche
und sprachen meist auch nur italienisch. Vielfach traten sie mit der Außenwelt und mit
dem Unternehmer nur durch ihren Vorarbeiter in Verbindung, der oft als einziger landes- und
sprachkundig war. Ihr Aufenthaltsort blieb ihnen in aller Regel fremd, so wie sie, die sie mit
Beginn der neuen gewaltigen Baumaßnahmen plötzlich wie aus dem Nichts auftauchten, um
nach deren Beendigung wieder zu verschwinden, für die Einheimischen fremd blieben. Was
sich allerdings vielfach im »kollektiven Gedächtnis« der älteren Bewohner aus der Zeit der Eisenbahn
-, Straßen- und Wasserleitungsprojekte erhalten hat, ist das obligatorische Abschiedsfest
, das man nach Fertigstellung der Baumaßnahme gemeinsam feierte. Manches Mal war dies
offensichtlich die einzige (erwähnenswerte) Notiz in der Lokalzeitung, wie etwa beim Bahnbauprojekt
in Trossingen. Einzig dem lapidaren Satz Die Gemeinde spendierte den italienischen
Bahnarbeiter ein Freibier ist eine Beteiligung italienischer Bauarbeiter an dem Bahnprojekt
zu entnehmen42.

Der Erste Weltkrieg brachte das Ende der Masseneinwanderung italienischer Arbeitskräfte
nach Deutschland. Unmittelbar nach Kriegsausbruch strömten italienischen Arbeitskräfte
scharenweise, zum großen Teil in kopfloser Flucht, wie es heißt in ihre Heimat zurück. Es kam
zu größeren Staus und Unruhen an den Grenzstationen, zum Beispiel in Konstanz, Lindau,
Kufstein und andernorts - in St.Ludwig/Elsaß suchten die Italiener sogar mit Gewalt über die
Grenzen zu dringen. Nur eine verhältnismäßig kleine Anzahl von Italienern blieb zunächst in
Deutschland zurück, aber als sich im Frühjahr 1915 die politischen Verhältnisse zwischen
Österreich und Italien zuspitzten, kehrten auch die meisten von ihnen nach Italien zurück,
teils freiwillig, teils durch einen Einberufungsbescheid gezwungen^. Mit dem Beginn des Ersten
Weltkrieges wurde somit eine jahrzehntelang Masseneinwanderung nach Deutschland
abrupt beendet, die erst Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg im Zeichen des neuerlichen deutschen
Wirtschaftsaufschwungs, allerdings unter anderen Vorzeichen und mit deutlich anderem
Ausgang, ihre Fortsetzung fand.

Zum Abschluß möchte ich, ebenso augenzwinkernd wie der Autor, aus einer köstlichen Fortsetzungsgeschichte
zitieren, die 1899 im »Oberbadischen Grenzbote« unter dem Titel Der
Lehrer Martin vo Kreahuistetta und d'Haibearger Stroß (Meßkirch-Hartheim). (Zur 25jähri-
gen Erinnerung.) erschienen ist. Diese prächtige Erzählung aus der Feder eines geborenen
Haibergers wird, wie es in der Ankündigung heißt, gewiß überall mit dem größten Interesse
gelesen werden, denn sie bringt in herrlicher Ausführung die Anfänge der Erbauung der schönen
Straße und zeichnet dabei die damals lebenden Charaktere in der lebendigsten Form. Mögen
dem Autor manchmal neben Wahrem auch einige Dichtungen mit unterlaufen sein und
das ist ja dem Schriftsteller gestattet, so zeichnet er aber unsere Heuberger Bauern als tüchtige,
vorwärts strebende Männer in schönster Ausführung. Sie ist im »Haibearger« Dialekt geschrieben
, soweit sich dieser lesbar schreiben läßt, und kann bei aller »Dichtung« ein treffli-

Streckenbau für die Hohenzollerische Landesbahn mitgearbeitet hatte, hatte die Gammertinger Drechslerstochter
Luise Barth geheiratet und mit ihr zeitweise in Italien, dann aber in Gammertingen gewohnt.
Bemerkenswert ist hierbei m. E., daß Castelli offensichtlich niemals deutsch gelernt hatte, seine Frau aber
italienisch.

42 Diesen Hinweis verdanke ich dem Trossinger Stadtarchivar und »Eisenbahnexperten« Martin Häffner.

43 Schäfer (wie Anm. 9), S. 211.

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