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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0047
ROLAND PETER

Der »Ausländereinsatz«:

Zwangsarbeiter in Baden und Hohenzollern 1939-19451

Ich will leben! Mama, ich lebe hier bei einem Chef. An Arbeit fehlt es nicht. Ich stehe um fünf
Uhr morgens auf. In der ganzen Zeit haben sie mich einmal in das Lager zu den unsrigen gelassen
. Als ich zurückkehrte, kam ich eine halbe Stunde zu spät. Mama, wie mich da der Chef
ins Gesicht geschlagen, an den Haaren gerissen hat, das werde ich mein ganzes Leben lang
nicht vergessen. Jeden Tag weine ich und es gibt wohl nur einen Ausweg: mit dem Leben
Schluß zu machen. Ich kann nicht mehr länger leben und all das aushalten. Ich kann nicht
mehr schreiben, die Tränen ersticken.

Die Worte der jungen, nach Deutschland verschleppten Russin sind zwar einem sowjetischen
Propagandaplakat entnommen2, wie sehr sie aber ins Schwarze treffen, zeigt die Tat des
29jährigen Wladislaw Zientek: Der polnische Zwangsarbeiter nahm sich am 25. April 1943 in
Pfullendorf das Leben3.

Jeder fünfte Beschäftigte in den Fabriken, Bergwerken und Bauernhöfen des Großdeutschen
Reiches war Ende 1944 ein Ausländer: etwa 7,7 Millionen Menschen, darunter knapp
2 Millionen Kriegsgefangene4. Hinzu kamen ca. 500000 weit überwiegend ausländische KZ-
Häftlinge. Die wenigsten »Fremdarbeiter«, wie sie im Nazi-Jargon genannt wurden, waren
freiwillig in Deutschland. An der Ausbeutung der zumeist osteuropäischen Männer, Frauen
und Kinder beteiligte sich auch der deutsche Südwesten: In Baden schufteten über 100 000
Zwangsarbeiter, allein der Landkreis Uberlingen wies knapp 3000 verschleppte Ausländer auf.
In den Bezirk des Arbeitsamtes Sigmaringen wurden über 5600 Menschen deportiert. Auch in
den ländlichen Regionen hatte fast jede Gemeinde und wohl jeder größere Betrieb sein eigenes
Lager5.

Im Raum Hohenzollern-Sigmaringen arbeiteten die meisten Ausländer in der Landwirtschaft
, viele aber auch in den wenigen vorhandenen Rüstungsfirmen. Bei der Meßkircher Metallwarenfabrik
Schad etwa zählte jeder vierte der 160 Beschäftigten zu den Zwangsarbeitern.

1 Überarbeitete Fassung des Vortrages vor dem »Veringer Forum 1996«, 6. Juli 1996 in Veringenstadt.

2 Abbildung und Text in: Ulrich Herbert (Hg.): Europa und der »Reichseinsatz«. Ausländische Zivilarbeiter
, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge in Deutschland 1938-1945. Essen 1991, S. 12. Das Plakat ist
datiert vom 1. Juli 1943.

3 Edwin Ernst Weber: Das Kriegsende 1945 in der Stadt Pfullendorf und Umgebung. In: Von der Diktatur
zur Besatzung. Das Kriegsende 1945 im Gebiet des heutigen Landkreises Sigmaringen. Hg. vom Landkreis
Sigmaringen, (Heimatliche Schriftenreihe des Landkreises Sigmaringen, Bd. 4). Saulgau o. J. (1996).
S. 77-112, hier S. 83.

4 Herbert (wie Anm. 2), S. 13. Grundlegend zu diesem Thema: Ders.: Fremdarbeiter. Politik und Praxis
des »Ausländereinsatzes« in der Kriegswirtschaft des »Dritten Reiches«. Berlin/Bonn 1985.

5 Bundesarchiv Koblenz (BÄK), R 89/28, Der Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich, Nr. 11/12,
30.12.1944 (Stand 30.9.1944). Roland Peter: Rüstungspolitik in Baden. Kriegswirtschaft und Arbeitseinsatz
in einer Grenzregion im Zweiten Weltkrieg (Beiträge zur Militärgeschichte. Hg. vom Militärgeschichtlichen
Forschungsamt, Bd. 44). München 1985, S. 329ff.

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