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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0049
Der »Ausländereinsatz«: Zwangsarbeiter in Baden und Hohenzollern 1939-1945

es hieß, war strikt untersagt. Bei sexuellen Kontakten drohte den polnischen Männern die
Hinrichtung. Die Folge war eine gnadenlose Verfolgungspraxis. Wie viele Polen ihrer Liebe
zu einer Deutschen zum Opfer fielen, läßt sich nicht mehr nachvollziehen, allein im Südwesten
wohl eine dreistellige Zahl. Aus der Gegend um Pfullendorf und Meßkirch sind drei derartige
Fälle bekannt12. Noch heute nennen die Einheimischen den Tatort bei Kreenheinstetten
das »Henkerwäldchen«.

Auch den deutschen Frauen und Männern drohte die Einweisung ins KZ unter dem Vorwurf
, sie hätten das gesunde Volksempfinden gröblich verletzt. Heinrich Himmler, Chef der
SS und der Polizei, befahl deshalb: Beabsichtigen die Frauen und Mädchen eines Ortes, eine
Frau vor ihrer Überführung in ein KZ öffentlich anzuprangern oder ihr die Haare abzuschneiden
, so ist dies polizeilich nicht zu verhindern*1. So wurden auch der 33jährigen Franziska
Schumann auf dem Marktplatz in Stetten vor gaffendem Publikum die Haare abgeschnitten.
Bei der Aktion auf dem Marktplatz seien mehr Leute da gewesen als bei der Fastnacht, erklärte
später ein Zeitzeuge. Noch Jahre nach dem Krieg wurde Franziska Schumann die Beziehung
zu ihrem polnischen Freund vorgehalten14.

So war das Leben auf dem Land für die Zwangsarbeiter alles andere als eine Idylle, auch
wenn sie es hier in der Regel weit besser hatten als ihre Leidensgenossen in der Industrie. Das
Kontaktverbot ließ sich nicht durchsetzen, zumal die Ausländer in den ländlichen Regionen
meist einzeln untergebracht waren. Sie wurden häufig als willkommene Arbeitskräfte begrüßt
, die auch bei den Mahlzeiten am gemeinsamen Tisch saßen: Der schafft mit uns, der ißt
mit uns, hieß es15. Die späteren russischen Zwangsarbeiter profitierten ebenso von dieser humanen
Einstellung. So beschwerte sich die Gestapo Sigmaringen, daß die Bestimmungen ... in
keiner Weise beachtet werden, da es an den notwendigen Kontrollen seitens der Polizeiorgane
fehlt, ebenso auch die laxe Behandlung durch die Bürgermeister dazu beiträgt*6.

Seit Kriegsbeginn hagelte es Erlaß auf Erlaß, um die Vorschriften durchzusetzen. Auch
Himmler-Stellvertreter Reinhard Heydrich entsetzte sich im fernen Berlin über die Zustände
im Schwarzwald und verlangte großzügige und energische Aufklärungsaktionen durch die
Partei17. 1941 erließ die Landesbauernschaft Baden nach Verhandlungen mit dem Stuttgarter
Höheren SS- und Polizeioffizier neue Bestimmungen, mit denen die Polenerlasse noch verschärft
wurden18. Danach war den Zwangsarbeitern der Kirchenbesuch untersagt. Vor allem
aber sprach die SS den Bauern ein eigenes »Züchtigungsrecht« zu, mit dem das angestrebte
»Herr-Knecht-Verhältnis« deutlich hervorgehoben werden sollte. Gleichzeitig drohte der Erlaß
»hohe Strafen« für die Deutschen an, falls sie weiter ein enges Verhältnis mit den Ausländern
unterhielten. Am Verhalten auf dem Land änderte sich aber kaum etwas.

12 Weber (wie Anm. 3), S. 83f.; Heim (wie Anm. 6), S. 117.

13 STAF, NS 63, Erlaß des Reichsführers SS, 7.5.1940.

14 Erika Jeuck: Das Kriegsende in Stetten a. k. M. und auf dem Truppenübungsplatz Heuberg. In: Von
der Diktatur (wie Anm. 3), S. 197-212, hier S. 198f. Ein weiteres Beispiel schildert: Heim (wie Anm. 6)
S. 117, für Kreenheinstetten.

15 Andreas Ruess: Krieg und Kriegsende in Saulgau. In: Von der Diktatur (wie Anm. 3), S. 57-76, hier
S. 62. Vergleiche: Roland Peter: Ausländische Zwangsarbeiter im Baden des Zweiten Weltkrieges. In:
Minderheiten in der Geschichte Südwestdeutschlands. Hg. vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg
in Verbindung mit der Landeshauptstadt Stuttgart durch Otto Borst (Stuttgarter Symposion, Bd. 3).
Tübingen 1996, S. 212-229, hier S. 214ff.

16 Ruess (wie Anm. 15), S. 62.

17 STAF, Landratsamt Rastatt 224, Schreiben Heydrichs an den »Stellvertreter des Führers« vom
15.2.1941.

18 Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof Nürnberg
(IMT), Nürnberg 1946. Bd. 36. Landesernährungsamt A (Landesbauernschaft) an die Kreisbauernschaften
, »Bestimmungen über die Behandlung ausländischer Landarbeiter polnischen Volkstums«, 6.3.1941,
S. 132ff.

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