Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0050
Roland Peter

Insgesamt zementierte der Poleneinsatz erstmals die Ungleichheit zwischen Deutschen
und Ausländern. Politisch und ökonomisch entstand so ein Modell, das einerseits die Volkswirtschaft
entlastete, andererseits den rassistischen Vorstellungen der Nazis entsprach. Bis
zum Sommer 1940 arbeiteten etwa 700 000 Polen in Deutschland. Nach diesen Erfahrungen
verlief der Rückgriff auf die Kriegsgefangenen des Westfeldzuges reibungslos. Das Beschäftigungsproblem
der Wirtschaft schien gelöst.

2. MASSENEINSATZ SOWJETISCHER DEPORTIERTER

An neuen Zwangsarbeitern aus dem Osten bestand vor dem »Fall Barbarossa«, dem Angriff
auf die Sowjetunion 1941, kein Interesse. Mehr noch: Hitler und die Wehrmacht planten zwar
einen Raubzug größten Ausmaßes, um Rohstoffe und Nahrungsmittel zu erbeuten, die Bevölkerung
aber war überflüssig: Zig Millionen Menschen werden zweifellos verhungern, wenn
von uns das für uns Notwendige aus dem Land herausgeholt wird, stellte im Mai 1941 eine
Runde aus Staatssekretären klar19. Obwohl die Wehrmacht mit bis zu drei Millionen Gefangenen
rechnete, traf sie keinerlei Vorkehrungen für deren Überleben. Zudem war die Beschäftigung
sowjetischer Arbeitskräfte im Reich von Hitler ausdrücklich verboten worden.

Nachdem die deutschen Panzer im Winter 1941/42 zurückgeschlagen wurden, verwandelte
sich der Blitzfeldzug in einen langen Abnutzungskrieg, der neue Arbeiter- und neue Soldatenkolonnen
benötigte. Die aber waren in Deutschland nur zu haben, wenn sie von außen ersetzt
werden konnten. Vertreter der Industrie forderten deshalb die Zulassung sowjetischer
Arbeiter. Hitler entschied schließlich Ende Oktober 1941, die bisherigen drei Millionen
Kriegsgefangenen in der Wirtschaft einzusetzen20■

Allerdings hatte die Hungerstrategie der Wehrmacht inzwischen Wirkung gezeigt: Von den
3,3 Millionen gefangenen Männern des Jahres 1941 kamen bis 1. Februar 1942 fast 60 Prozent
ums Leben21. Damit stand die Reichsführung vor einer ähnlichen Krise in der Arbeitskräftepolitik
wie zwei Jahre zuvor. Zu ihrer Uberwindung verstärkte sie erneut die Verschleppung
von Menschenmassen ins Reich. Der Thüringer Gauleiter Fritz Sauckel nahm als neuer »Generalbevollmächtigter
für den Arbeitseinsatz« kein Blatt vor den Mund: Es ist unumgänglich
notwendig, die in den eroberten sowjetischen Gebieten vorhandenen Menschenmassen voll
auszuschöpfen. Gelingt es nicht, die benötigten Arbeitskräfte auf freiwilliger Grundlage zu gewinnen
, so muß unverzüglich zur Aushebung derselben bzw. zur Zwangsverpflichtung geschritten
werden22.

Mit der Anwerbung hielt sich die Arbeitsverwaltung danach nicht lange auf. Wie in Polen
hatten die Gemeinden Kontingente an Arbeitskräften für das Reich zu stellen. Um die Forderungen
durchzusetzen, ging die Wehrmacht noch brutaler vor: Ganze Dörfer wurden niedergebrannt
, überall wahllos Menschen aufgegriffen, selbst Lahme, Blinde und Greise23.

Auf diese Weise schafften die Besatzer riesige Menschenmassen ins Reich: allein zwischen
l. April und 31. Dezember 1942 über 1,4 Milionen Männer und Frauen - wöchentlich etwa

19 IMT, Bd. 31. Aktennotiz vom 2.5.1941, S. 84

20 Hans Mommsen/Manfred Grieger: Das Volkswagenwerk und seine Arbeiter im Dritten Reich.
Düsseldorf 1996. S. 546ff.

21 Christian Streit: Keine Kameraden. Die Wehrmacht und die sowjetischen Kriegsgefangenen
1941-1945. Bonn 1991, S. 136

22 STAF, Landratsamt Villingen 389, »Das Programm des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz
«, S. 5f.

23 IMT, Bd. 25. Der Reichsminister für die besetzten Ostgebiete an den Gauleiter Fritz Sauckel, Generalbevollmächtigter
für den Arbeitseinsatz, 21.12.1942. S. 74ff. Vergleiche Rolf-Dieter Müller: Menschenjagd
. Die Rekrutierung von Zwangsarbeitern in der besetzten Sowjetunion. In: Vernichtungskrieg. Verbrechen
der Wehrmacht 1941-1944. Hg. von Hannes Heer/Klaus Naumann. Hamburg 1995, S. 92-103.

38


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0050