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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0072
Peter Thaddäus Lang

Der Eichstätter Visitator Johann Vogt waltete seines Amtes mit ungewohnter Strenge und
Gründlichkeit24. Gleichwohl bleibt ein gewisser Zweifel bestehen, ob er tatsächlich alle Mängel
samt und sonders aufzuspüren vermochte.

Wenn der Beauftragte des Eichstätter Bischofs die äußere Erscheinung der Kleriker beurteilte
, ergaben sich derlei Einschränkungen indes nicht. Mit einem einzigen Blick nämlich war
festzustellen, ob der Inspizierte den einschlägigen Bestimmungen entsprach: Lange Haare,
kurze Röcke, buntscheckige Farben und auch Schnabelschuhe standen allesamt unter Verbot.
Verstöße traf der Visitator allerdings nicht allzu oft an. Weniger als ein Zehntel aller überprüften
Geistlichen fand Gefallen an modischem Aussehen - in ihrer Mehrzahl waren dies Hilfsgeistliche25
.

Beim Aufspüren anderer Mängel hatte Vogt freilich etwas größere Mühe, so etwa beim
übermäßigen Genuß des Weines. Nach Vogts Erhebungen gab sich ungefähr jeder achte Geistliche
dem Trünke hin, eine Zahl, die angesichts der allgemeinen Verbreitung dieses Übels nicht
sonderlich hoch erscheint. Unter den Trunkenbolden fanden sich ohne Unterschied Vikare,
Kapläne, Pfarrer und Altaristen. Sie zechten zumeist im Wirtshaus, aber sie ließen sich auch
auf ihren Kapitelsversammlungen fleißig den Wein durch die Kehle rinnen.

Eines schuldhaften Verhaltens waren sie sich nicht bewußt - extreme Fälle von Trunksucht
hielten sie für eine natürliche Folge von Kopfverletzungen. Die weniger weinseligen Kleriker
nahmen an den Räuschen ihrer Mitbrüder keinen Anstoß, solange sich jene einigermaßen ruhig
und anständig aufführten26.

Im Wirtshaus fand sich die Eichstätter Geistlichkeit überhaupt recht häufig ein, obwohl die
Statuten dies streng untersagten. Dorthin gingen die Kleriker nicht nur des Weines wegen,
sondern öfter noch, um sich am Karten- und Würfelspiel zu vergnügen. Der fünfte Teil des
Pfarrklerus im Bistum vertrieb auf diese Weise sich die Zeit.

Nach der Vorstellung der Spieler taten sie selbst nichts Ungutes, denn verwerflich erschien
ihnen lediglich die Absicht, sich beim Spiel zu bereichern. Deshalb erzählten sie dem Visitator,
sie spielten ja nur zum Zeitvertreib und nur um ein bescheidenes Sümmchen.

Als verwerflich hingegen galt es ihnen, sich mit Bauern oder, schlimmer noch, mit Juden
zusammenzusetzen. Geistliche sollten ihrer eigenen Meinung nach unter ihresgleichen bleiben
und sich allenfalls mit Amtleuten oder mit Adeligen einlassen27. Trinken und Spielen hielten
die Priester somit für erlaubte Vergnügungen.

Die Liste der Verfehlungen in der Lebensführung ist damit allerdings noch nicht erschöpft
- es ist die Rede von Streitereien und von weltlichen Tätigkeiten wie Heilkunst oder Jagd -
doch bleiben derlei Dinge im Bereich der Fünf-Prozent-Klausel28.

Ganz anders sah es im Bistum Eichstätt aus hinsichtlich der Zölibatsverstöße. Dem Visitator
war es gelungen, in diesem Punkte Angst und Schrecken zu verbreiten. Als Folge suchten
die Kleriker zu verheimlichen, was immer sie konnten. Dieses allseitige Bemühen um Verdunkelung
macht es außerordentlich schwierig, der Wahrheit auf die Spur zu kommen. So ergibt
sich je nach dem Wahrscheinlichkeitsgrad der Anhaltspunkte, daß zumindest ein Fünftel der
Geistlichen mit Sicherheit gegen die Zölibatsvorschriften verstieß. Ein weiteres Fünftel stand

(1987), S. 23-314; 38. Die Zahl der Konkubinarier ist füglich nicht mit der Zahl 1000, sondern - korrekterweise
- mit der Gesamtzahl derjenigen in Relation zu setzen, über deren häusliche Gegebenheiten etwas
ausgesagt ist. Daraus ergibt sich nämlich, daß 199 Konkubinarier 195 Nichtkonkubinariern gegenüber stehen
, oder, relativ gesehen, daß der Prozentsatz der Konkubinarier bei 55 Prozent liegt! - Eine Zahl übrigens
, die sich durchaus in der Größenordnung der Eichstätter Quelle bewegt.

24 Lang: Würfel, Wein und Wettersegen (wie Anm. 2), S. 223-224.

25 Ebd. S. 224-225.

26 Ebd. S. 225.

27 Ebd. S. 225-226.

28 Ebd. S. 228.

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