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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0074
Peter Thaddäus Lang

während im Bistum Eichstätt um 1480 zwischen 20 und 40 Prozent der Kleriker unter diese
Rubrik fallen, sind es im Bistum Freising um 1560 exakt 64,4 Prozent38.

Immerhin wird beim Vergleich dieser beiden Visitationsdokumente deutlich, daß die Lage
der alten Kirche sich durch die Reformation nicht überall in jeder Hinsicht verschlechterte.
Freilich darf ein wesentlicher Gesichtspunkt nicht außer acht gelassen werden: Wenn die Verwaltung
eines Bistums sich schon überhaupt einmal zu einer ernsthaften Visitation aufzuraffen
vermochte, dann kann dieser Umstand allein bereits als Indiz dafür dienen, daß die Verhältnisse
dort keineswegs die mißlichsten waren. Es muß demzufolge mangels besserer Beweise
damit gerechnet werden, daß die Situation in anderen Bistümern wesentlich schlechter war
- eben deshalb, weil dort nicht visitiert wurde.

Diese Vermutung wird gestützt durch die Ergebnisse der ersten nachtridentinischen Visitationen
.

Der in jener Zeit am gründlichsten visitierte Kirchensprengel des deutschsprachigen
Raumes ist fraglos das Bistum Würzburg - ein Superlativ, welchen die Kiliansdiözese ihrem
großartigen Reformbischof Julius Echter von Mespelbrunn zu verdanken hat. Julius Echter,
ein außergewöhnliches Finanz- und Verwaltungsgenie, verwandelte in seiner mehr als vierzigjährigen
Amtszeit sein Territorium in ein reiches, blühendes Land mit erheblichem außenpolitischem
Gewicht39.

Echters Verwaltungstalent kam nicht zuletzt auch der innerkirchlichen Reform zugute40.
Das von ihm geschaffene Visitationssystem erfaßte im Laufe der 1570er Jahre nahezu alle
Pfarreien seines Bistums, die cum grano salis in steter Abfolge Jahr für Jahr besucht wurden41.

Wie zu erwarten, zeichnen die Berichte aus der Zeit vor 1580 ein wenig erfreuliches Bild.
Die genannten Untugenden sind uns in ihrer Art nicht neu: Faulheit, Streitsucht, Alkoholismus
, mangelnde Bildung, weltliche Kleidung und ganz pauschal unpriesterlicher Lebenswandel
, was in der Sprache der Quellen mit Formulierungen ausgedrückt wird wie »vita scandalo-
sa« oder »hält sich übel«. Dazu kommt als bisher unbekannte Regelwidrigkeit eine vereinzelte
Hinwendung zur neuen Lehre, was sich beispielsweise im Besitz lutherischer Bücher manifestierte42
.

Um 1580 mußten sich noch knapp vier Fünftel der Kleriker solche Rügen gefallen lassen43.
Unter den genannten Mängeln wird die Faulheit ausnehmend oft genannt. Freilich bleibt unklar
, welche Amtspflichten im einzelnen vernachlässigt wurden.

38 Ebd. S. 103-105. Landersdorfer setzt die Zahl der Konkubinarier (163) in Beziehung zu der Gesamtzahl
der Visitierten (418), ohne in Rechnung zu stellen, daß in 165 Fällen keine Auskunft zu diesem Thema
vorliegt. Von den übrigen 253 Fällen ausgehend, kommt man auf 64,4 Prozent.

39 Am ausführlichsten über Julius Echter - und in vieler Hinsicht nicht überholt: Götz von Pölnitz: Julius
Echter von Mespelbrunn, Fürstbischof von Würzburg und Herzog von Franken (1573-1617) (Schriftenreihe
zur bayerischen Geschichte Bd. 17). München 1934.

40 Zur administrativen Seite der Echterschen Kirchenreform Hans-Eugen Specker: Die Reformtätigkeit
der Würzburger Fürstbischöfe Friedrich von Wirsberg (1558-1573) und Julius Echter von Mespelbrunn.
(1573-1617). In: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 27 (1965), S. 29-125. - Vgl. außerdem: Friedrich
Merzbacher (Hg.): Julius Echter und seine Zeit. Würzburg 1973. - Peter Baumgart (Hg.): Vierhundert
Jahre Universität Würzburg. Eine Festschrift. Neustadt/A. 1982.

41 Vgl. Hans-Eugen Specker: Nachtridentinische Visitationen im Bistum Würzburg als Quelle für die
katholische Reform. In: Ernst Walter Zeeden/Hansgeorg Molitor (Hg.): Die Visitation im Dienst
der katholischen Reform (Katholisches Leben und Kirchenreform 24/25). Münster/W. 21977, S. 37^18. -
Peter Thaddäus Lang: Die tridentinische Reform im Landkapitel Gerolzhofen. Kirchliches Leben im
Spiegel der Visitationsberichte 1574-1619. In: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 52 (1990),
S. 243-269; 243-245.

42 Lang: Gerolzhofen (wie Anm. 41), S. 246,248.

43 Diese Aussage beruht auf den Angaben der Visitationsakten für die Landkapitel Gerolzhofen (im Diö-
zesanarchiv Würzburg) und Mergentheim (im Diözesanarchiv Rottenburg).

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