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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0075
Der süddeutsche Weltklerus im 16. Jahrhundert

Der mit Abstand häufigste Mangelpunkt aber war das Konkubinat. Um 1580 verstießen im
Landkapitel Mergentheim 70 Prozent gegen die Zölibatsvorschriften, im Landkapitel Gerolz-
hofen waren es 73 Prozent und im Landkapitel Karlstadt gar 90 Prozent44. Zu diesen Zahlen
muß allerdings bemerkt werden, daß ein beträchtlicher Teil dieser Priester ein ansonsten untadeliges
Leben führte, was die Visitatoren auch durchaus positiv vermerkten45.

Die Wurzel des Konkubinats lag nach Auffassung der Würzburger Kirchenoberen in der
Haushaltung, der »familia«46 der Geistlichen, begründet. Deswegen wirkte man langfristig
darauf hin, daß in den Pfarrhaushalten entweder ältere und deshalb über allen Verdacht erhabene
Frauen zugange waren oder - besser noch - weibliche Familienangehörige des Pfarrers.

Dergestalt sank die Zahl der Konkubinarier bis zum Beginn des Dreißigjährigen Kriegs im
Bistum Würzburg unter die Zehn-Prozent-Marke, wohingegen sich die Zahl der Mütter, Tanten
, Schwestern und Basen im Pfarrhaus gleichzeitig mehr als verdoppelte47.

Die zuvor genannten Arten priesterlichen Fehlverhaltens gingen in demselben Zeitraum
gleicherweise stark zurück, waren indes noch nicht vollkommen ausgemerzt.

Im Laufe des 17. Jahrhunderts sollte sich das Verhalten der Priester dann weiter an das tri-
dentinische Ideal annähern - eine Folge der Ausbildung in den neu geschaffenen Priesterseminaren
, durch welche ganz augenscheinlich die Leitlinien des Konzils wirksam vermittelt wurden48
.

Im Bistum Würzburg ist nachgerade mit Händen zu greifen, wie sich die Kirchenreform
vom Groben zum Feinen und von außen nach innen bewegte. Sobald äußeres Erscheinungsbild
und Lebenswandel nicht mehr viel Anlaß zu Tadel gaben, hatten die Kirchenoberen ein
schärferes Auge auf den spirituellen Bereich49.

So wurde ab 1593 nach den gottesdienstlichen Handlungen jenseits der Sonntagsmesse geforscht
, also nach Werktagsmesse und Vespergottesdienst, nach Katechismusunterricht und
nach den Exequien.

Die Visitatoren stießen auf Nachlässigkeit und Versäumnisse allenthalben, insbesondere
beim Katechismusunterricht. Für die Katechismus-Misere trugen die Seelsorger keine unmittelbare
Verantwortung: Die Jugend blieb im Sommer wegen der Erntearbeit fern und im Winter
, weil keine heizbaren Räume zur Verfügung standen. Dieses Problem blieb noch weit über
die Echterzeit hinaus ungelöst.

Den Vespergottesdienst ließen viele Pfarrer ausfallen, weil ihnen die hierfür notwendigen
Antiphonarien fehlten. Solcher Knappheit wirkte 1602 die Herausgabe eines neuen Antipho-
nariums im Bistum Würzburg entgegen, woraufhin dieser Mangelpunkt in den Folgejahren
allmählich verschwand. Bei Exequien und Werktagsgottesdienst besserte sich die Lage allerdings
erst zwanzig Jahre später50.

1597 folgte ein weiterer Reformschritt: Der Würzburger Oberhirte ließ die Beichtgewohnheiten
seiner Priesterschaft erkunden. Wie zu erwarten, mit wenig erfreulichem Ergebnis.
Den Klerikern war offensichtlich der Gedanke fremd, daß man einen festen Beichtvater als

44 Lang: Gerolzhofen (Wie Anm. 41), S. 249 Anm. 34.

45 Peter Thaddäus Lang: Die tridentinische Reform im Landkapitel Mergentheim bis zum Einfall der
Schweden 1631. In: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 1 (1982), S. 143-171; 148.

46 Paul Mai und Marianne Popp gehen in die Irre, wenn sie »familia« mit der modernen Kleinfamilie
gleichsetzen - vgl. Paul Mai/Marianne Popp (Hg.): Das Regensburger Visitationsprotokoll von 1508
(wie Anm. 23), S. 29.

47 Lang: Mergentheim (wie Anm. 45), S. 149. - Ders.: Gerolzhofen (wie Anm. 41), S. 249.

48 Johannes Meier: Die katholische Erneuerung des Würzburger Landkapitels Karlstadt im Spiegel der
Landkapitelversammlungen und Pfarreivisitationen 1579-1624. In: Würzburger Diözesangeschichtsblät-
ter33(1971), S. 51-125; 81.

49 Johannes Meier: Karlstadt (wie Anm. 48), S. 78. - Lang: Mergentheim (wie Anm. 47), S. 166. - Ders.:
Gerolzhofen (wie Anm. 41), S. 265.

50 Lang: Gerolzhofen (wie Anm. 41), S. 251f. - Vgl. auch Ders.: Mergentheim (wie Anm. 45), S. 152.

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