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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0119
»Es war wie überall, eben kleiner« - Französische Besatzung in Burlaclingen (1945-1948)

zen. Es ist damals schon schlimm gewesen. Da hat man denen freien Lauf gelassen, den Marokkanern
, denn ihr seid ja bei den Siegern und ihr könnt da machen, was ihr wollt. Aber das
ist natürlich der Haß gewesen, weil wir sind ja schon im Ersten Weltkrieg da einmarschiert,
und im Siebzigerkrieg waren wir auch in Frankreich drin. Und da ist der Haß immer noch geblieben
. Und die haben sich dann gesagt, wenn wir da hereinkommen, dann tun wir auch, was
wir wollen. Dann war das Rache und Vergeltung«33. »Die Franzosen haben das Verhalten der
Marokkaner vielleicht auch ein bißchen geduldet und haben gedacht, das ist ein bißchen Revanche
. (...) In der Gefangenschaft hat es also laufend Schläge gegeben und da hat es auch dauernd
geheißen, das ist die Vergeltung. Und: Ihr habt es uns so gemacht, und jetzt geht es euch
auch so, ihr Nazischweine. Teilweise ist das mit der Rache natürlich schon zum Durchbruch
gekommen«34.

Insbesondere die Vergewaltigungen vieler Mädchen und Frauen beim Einmarsch,
hauptsächlich durch Marokkaner, werden von einigen Interviewpartnerinnen als eine Art der
Vergeltung für die (Un)taten der Deutschen in Frankreich betrachtet. »Deshalb kann man ihnen
das nicht verübeln. Ich meine, man muß es ihnen verübeln, aber man muß es trotzdem
auch in der Relation und in der Verfassung, in der sie waren, sehen. Das gehörte dazu. Und ich
möchte auch nicht wissen, wieviel Deutsche in Rußland und in Frankreich gewesen sind und
es auch so gemacht haben. Das hat's überall gegeben, das hat es immer schon gegeben. Natürlich
war das auch eine Art Rache«35. »Ich will jetzt nicht sagen, daß bei unseren Soldaten
nichts passiert wäre, daß die immer Engel gewesen sind. Da ist auch einiges passiert, die haben
ja auch Hunger gehabt, die haben auch requiriert. Die haben auch geholt, was sie gebraucht
haben. Da ist auch einiges gelaufen«36.

Eine Gesprächspartnerin, die ihren Ehemann im Laufe des Krieges in Polen und Frankreich
besucht hat und die Greueltaten der Nazis an Juden und Polen beobachten mußte, setzt
die (Un)taten der Deutschen im Ausland ebenfalls mit den Übergriffen der französischen Besatzer
gleich. »Ich meine, ich habe doch gesehen, wie's ist. Und ich habe mich auch gar nicht
aufgeregt. Ich habe ja gewußt, wie unsere im Ausland gehaust haben. Und dann habe ich gedacht
, jetzt kommt die Rache. (...) Vielleicht hätte ich auch Angst gehabt, wenn ich nicht vorher
in Frankreich und in Polen gewesen wäre. Das habe ich alles in Polen drin gesehen gehabt,
und dann habe ich gedacht, das ist gerade das gleiche«37.

Zwei Zeitzeugen versuchen, diese Erinnerungen der Burladingerinnen zu widerlegen, die
Taten der deutschen Soldaten im Ausland waren scheinbar keineswegs mit denen der Franzosen
und Marokkaner in Deutschland vergleichbar. »Also, ich war als Soldat gleich vom ersten
Tag an in Frankreich, Jugoslawien, Rußland. Nun ja, in Rußland war das anders, aber in den
zivilisierten Ländern Frankreich und Jugoslawien -, da habe ich das nach unserem Maßstab
genommen, daß da anderen Leuten kaum etwas passiert. Wenn's nicht gerade passiert, daß sie
von uns einen erschießen oder so. Aber das war dann schon ein bißchen anders mit den Marokkanern
«38. »Obwohl bei uns, in unserem Heer hat's das nicht gegeben. Es gab auch Ausschreitungen
, aber nicht so wie bei denen, daß man gesagt hat, wenn ihr da hereinkommt,
dürft ihr machen, was ihr wollt. Das war bei uns schwer verboten. Ich war zuerst in Rußland
und dann in der Normandie, als die Invasion vorbeigegangen ist. Da stand in jedem Ort eine
Tafel: Wer plündert, wird mit dem Tode bestraft! Wenn ein deutscher Soldat etwas herausgeholt
oder geplündert hat, oder gegenüber der Zivilbevölkerung ein bißchen anzüglich geworden
ist, dann ist er schwer bestraft worden. Da hat's keine Rücksicht gegeben. (...) Bei uns war

33 Interview mit Herrn H. am 16.5.1991.

34 Interview mit Herrn A. am 22.1.1991.

35 Interview mit Frau B. am 18.2.1991.

36 Interview mit Frau F. am 16.4.1991.

37 Interview mit Frau C. am 12.3.1991.

38 Interview mit Herrn G. am 29.4.1991.

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